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Helmut Caspar
Ein Glasdach für das Zeughaus

Das Deutsche Historische Museum wird saniert

Das Zeughaus Unter den Linden 2 in Berlin, Sitz des Deutschen Historischen Museums (DHM), hat Ende 1998 seine Pforten für die Besucher geschlossen und wird seit Jahresbeginn 1999 komplett ausgeräumt. Die gesamte – vom Mittelalter bis in die heutige Zeit reichende – Sammlung und alle Ausstellungsstücke kommen nach Spandau in ein Depot, wo sie von Restauratoren und Museologen für künftige Präsentationen vorbereitet werden. Ab Sommer 1999 wird der figurengeschmückte Prachtbau, den Kurfürst Friedrich III., ab 1701 König Friedrich I., vor 300 Jahren als Waffenarsenal hatte errichten lassen, generalsaniert. Der Herrscher wird mit seinem Bildnis und einer langen lateinischen Inschrift von 1706, die im Zusammenhang mit der Fassadenrestaurierung wieder vergoldet wurde, über dem Eingangsportal gefeiert.
     Sämtliche elektrische Leitungen, die Heizung sowie Sanitäranlagen müssen erneuert werden, und auch in den Räumen wird es manche Veränderungen zur Gewinnung von

Ausstellungsflächen geben. Wiederhergestellt sind schon der Außenbau und zum Teil auch der barocke Innenhof. Geplant ist, den reichen Figurenschmuck wieder auf das Dach zu bringen, wobei originale Teile durch Kopien ergänzt werden, da die barocke Plastik bereits sehr desolat ist. Bis Ende 2001 soll die 43 Millionen Mark teure Rekonstruktion des Zeughauses abgeschlossen sein. Danach beginnt der Aufbau der neuen Dauerausstellung im Erdgeschoß und in der ersten Etage, während nebenan in dem vom amerikanischen Architekten I. M. Pei konzipierten »Schauhaus« – Kostenpunkt 97 Millionen Mark – die erste Sonderausstellung eingerichtet wird.
     »Die komplette Räumung des Zeughauses ist unabdingbar, weil wir bei der dringend notwendigen Generalsanierung keine Schäden an den Exponaten und Verluste riskieren dürfen. Der Transport der Museumsstücke von einem Raum in den anderen wäre außerdem zu umständlich und zu teuer. Da ist es besser, Baufreiheit im ganzen Haus zu schaffen«, sagt Ulrike Kretzschmar, Abteilungsleiterin für Ausstellungen und DHM-Baureferentin. Selbst die originalen Sandsteinfiguren von der Attika des Zeughauses (sie sind zum großen Teil bereits von Bildhauern der Stuck und Naturstein GmbH durch Kopien ersetzt worden), eine sowjetische Rakete, die bunte Leuchtschrift »Plaste und Elaste aus Schkopau« und andere »große Brocken« in der Eingangshalle werden
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demontiert und verlagert. Feste Einbauten wie die beiden Treppen aus der Nachkriegszeit und die alle sieben Meter aufgestellten Pfeiler bekommen schützende Beläge und Hüllen.
     Vieles wird im Zeughaus verändert. So wird künftig in dem zur Spreeseite gelegenen Zeughaus-Kino eine Multimediaschau gezeigt, die über historische Eckdaten der deutschen Geschichte informiert, und der bis jetzt zum Restaurant gehörende »Marmorsaal«, ebenfalls an der Spreeseite, soll künftig in die Ausstellung einbezogen werden.

Eine der restaurierten »Masken sterbender Krieger« im Innenhof
Auf Kaffee und Gebäck wird man auch künftig im Zeughaus nicht verzichten müssen, nur wird die Fläche des Restaurants verkleinert. Ausgleich wird durch den Einbau einer Galerie geschaffen. Der Westflügel in Richtung Neue Wache bekommt einen behindertengerechten Fahrstuhl.
     Den wohl wichtigsten Eingriff wird es im Innenhof geben. Er erhält ein Glasdach und verwandelt sich in einen wunderschönen Festsaal. Berlin habe dergleichen nicht noch einmal vorzuweisen, sagt Ulrike Kretzschmar und erinnert daran, daß dieser quadratische Hof schon in der Kaiserzeit überdacht war, als das Zeughaus zur preußisch-deutschen Ruhmeshalle und zum Heeresmuseum umgebaut und der Hof mit
Borussia-Figuren, Kanonen und einer reichgeschmückten Freitreppe bestückt wurde. Inwieweit der Figurenschmuck zurückkehrt und wie der Innenhof ausgestaltet werden soll, ist noch Gegenstand von Diskussionen. »Unser neues Dach wird viel flacher sein als das aus dem 19. Jahrhundert. Das war unser Wunsch und der des Denkmalschutzes, der darauf bestand, daß es von der Straße und vom Wasser aus nicht zu sehen ist.« Die Verglasung habe auch den Effekt, daß der kostbarste Schmuck des Hofes, Andreas Schlüters Masken sterbender Krieger, besser als bisher vor den Unbilden der Witterung bewahrt werden. Die aus abgeschlagenen Köpfen bestehenden 22 Schlußsteine von 1696 über den rundbogigen Fenstern sind bereits
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gereinigt und heben sich in ihrer ursprünglichen hellen Sandsteinfarbe wohltuend von den rosa geputzten Wänden ab. Um den Hof künstlerisch zu komplettieren, wird daran gedacht, verloren gegangene Reliefs nach alten Fotos und Zeichnungen wiederherzustellen und in die Wände einzufügen.
     Mit der jetzt beginnenden Generalsanierung
des Zeughauses sind alle Pläne aus den frühen neunziger Jahren vom Tisch, die sehr weitgehende Veränderungen des denkmalgeschützten Gebäudes, ja selbst die Verlegung des Eingangs von den »Linden« auf die Rückseite, vorgesehen hatten. Damals wurde an die radikale Beseitigung von Einbauten aus DDR-Zeiten gedacht. »Da es sich um

Mauerteile und Figurengruppe, bislang in der Eingangshalle, werden gemeinsam mit anderen Exponaten demontiert und ausgelagert

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ein denkmalgeschütztes Gebäude handelt, verbietet sich jeder ruppige Umgang mit der historischen Substanz«, sagt Kunsthistorikerin Ulrike Kretzschmar. »So bleiben auch charakteristische Einbauten wie die edel vertäfelten Räume im Erdgeschoß erhalten, in denen sich NVA-Soldaten aufhielten, wenn sie nicht gerade an der Neuen Wache strammstanden.« Hier sollen künftig hochrangige Besucher des Deutschen Historischen Museums empfangen werden.
     Das Deutsche Historische Museum, das ursprünglich in einem von Aldo Rossi konzipierten Neubau im Spreebogen untergebracht werden sollte, jedoch nach der Wiedervereinigung 1990 das vom damaligen Museum für Deutsche Geschichte genutzte Zeughaus Unter den Linden bezog, will nach 2002 anhand von Realien, also originalen Sachzeugen, Dokumenten, Bildern und Fotografien, zeigen, so Museumsdirektor Christoph Stölzl, »wer wir als Deutsche und Europäer sind, als Bewohner einer Region und Angehörige einer weltweiten Zivilisation«. Nur in Ausnahmefällen werden Nachbildungen und Kopien gezeigt. Chronologisch von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart ist der Rundgang durch das Haus konzipiert. Im ersten Stock soll auf der Lindenseite künftig Platz bleiben für die allerneueste Zeit sowie für Sonderausstellungen, die nicht im Pei-Bau Platz finden werden. Bis das Gebäude wieder betreten werden kann, dient das Kronprinzenpalais, in der Zeit der
Monarchie Wohnsitz des preußischen Thronfolgers und in der Zeit der Weimarer Republik Ausstellungsgebäude der Staatlichen Museen für zeitgenössische Kunst, auf der anderen Straßenseite als Ausweichquartier. Da hier allerdings die Ausstellungsfläche von 940 Quadratmetern nur sehr begrenzt ist, muß das Deutsche Historische Museum mit großen Ausstellungen in andere Häuser gehen. Für die ab 22. Mai 1999 laufende Jubiläumsschau »Einigkeit und Recht und Freiheit« zum 50jährigen Bestehen der Bundesrepublik Deutschland ist der Martin-Gropius- Bau im Bezirk Kreuzberg gebucht.

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© Edition Luisenstadt, 1999
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