Berliner Anekdoten

Der Frauen wegen
Auf die große Anzahl der Zuhörer, die sich allsonntäglich, um Friedrich Schleiermacher zu hören, in der Dreifaltigkeitskirche einfanden, sei er, so erzählt man, gar nicht stolz gewesen, sondern habe einst gesagt:
     »In meine Kirche kommen hauptsächlich Studenten, Frauen und Offiziere. Die Studenten wollen meine Predigt hören, die Frauen wollen die Studenten sehen, und die Offiziere kommen der Frauen wegen ...«

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Die Ansicht
Korfiz Holm, einer der ersten Chefredakteure des alten »Simplicissimus«, hatte einen sehr trockenen Humor. Einst legte ihm ein angehender Lyriker eine recht schwache Arbeit zur Begutachtung vor und fragte, ob mal Aussicht bestünde, das Gedicht in seiner Zeitschrift unterzubringen.
     »Schon möglich«, gab Holm bedächtig zurück,
     »ich gedenke ja nicht ewig zu leben.«

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Guter Rat
Robert Koch wurde zu einem Bauern gerufen, der schwer erkrankt war und aus Scheu vor dem Arzt schon wochenlang mit Hausmitteln herumquacksalberte. Koch besah sich den Kranken und fragte ihn nach den verschiedenen Umständen der Krankheit.
     »Warum haben Sie nicht von jemandem Rat eingeholt?«, fragte Koch.
     »Hab ich, hab ich, beim Apotheker«, antwortete der Kranke.
     »Und welchen saudummen Rat hat er ihnen gegeben?«
Da stammelte der Kranke: »Er meinte, ich solle Sie rufen, Herr Doktor.«

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Können Sie dichten?
Alexander von Humboldt wurde von vielen Leuten belästigt, die sich als Privatgelehrte ausgaben und ihm ihre Arbeiten vorlegten. Einmal wurde ihm wieder ein geistloses Machwerk überbracht. Als der Verfasser ihn um sein Urteil bat, fragte Humboldt:
     »Können Sie dichten?«
Der »Privatgelehrte« war tief erstaunt über diese Frage. Aber er faßte sich und sagte:
     »Ein wenig wohl!«
     »Sehr schön!«, rief Humboldt, »dann bringen Sie diese Arbeit in Reime!«
     »Diese Arbeit? Aber erlauben Sie, das ist doch ein wissenschaftliches Werk!
     Warum soll es in Reime gebracht werden?«
     »Weil es in der vorliegenden Form ganz ungereimt ist!«,

versetzte Humboldt und verabschiedete seinen verblüfften Besucher.

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Doktor Heim zahlt mit gleicher Münze
Die Frau eines reich gewordenen Braumeisters ließ den alten Ernst Ludwig Heim mitten in der Nacht holen und jammerte, sie müsse ihn »insultieren«, da sie am Kopfe starke »Konfektionen« habe. Heim, wütend über die unterbrochene Nachtruhe, erwiderte der fremdwortbeflissenen eingebildeten Kranken:
     »Da kann ich Ihnen nur raten: Schicken Sie hinüber nach der Hypothek und lassen sich Rhinozerosöl holen!«,
sprach's und schlug die Tür hinter sich zu.

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»Begutachtung« des Neptunbrunnens vor über 100 Jahren
- Kick mal Paule, der Olle mit de Mistjabel.
- Det is ja det reenste »Forckenbecken« (1878-1892 war Max von Forckenbeck Oberbürgermeister).
- Der olle Meerjreis hat's jut, der is immer berauscht.
- Mann, uf det Ausjußbecken turn lauta jrüne Jungs rum.
- Desterwejen grient der Olle ja ooch imma so.
- Det Beste sin for mir die vier Frauensleute, die den janzen Tach den Rand halten.

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© Edition Luisenstadt, CD-ROM 1997: Berlin. Ansichten.
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