Die Berlinerin

Nun zum schöneren Geschlecht. Hübsche und geistreiche Frauen und Mädchen gibt es überall - doch den Berlinerinnen wird ein besonderer Reiz, ein besonderer Charme nachgesagt. Die Töchter der Berolina sind frisch, praktisch, flott und immer auf eine »interessante Verpackung« aus, wie man den Chic der Frauen in dieser Stadt gern nennt. Von Natur aus neigen sie zu starken, geraden Gefühlen, können sentimental sein und scheinen sich oft mit einem stummen, seufzenden »Benimm dir!« zur Ordnung zu rufen.

Weltbekannt wurde der Mutterwitz und die Schlagfertigkeit der Eva-Töchter zwischen Spree und Panke. So hatten die Hökerfrauen von einst solche Sprüche drauf wie:
     »Mach mir nich tüksch, det sich nich meine Fäuste mit deine Backzähne familiär machen ...«

Von jeher stehen die Berlinerinnen in allen Situationen »ihren Mann«. Sie können rechnen und wirken unabhängiger als die Frauen anderer Städte und Landschaften. Fragt man sie nach ihren beruflichen Erfahrungen, so werden die mit Spreewasser Getauften wie einst Grethe Weiser munter lächelnd antworten:
     »Ach, wissen Se, die Männer kommen ja mit ihren Sachen nie zu Rande!«

In jedem Lebensalter - von der »Jöre« bis zur »Ollen«, vom »Meechen« bis zur »Madam« - bewegen sich die Berlinerinnen frei und ungezwungen, mit Grazie und einem Schuß Koketterie. In die Vierziger, Fünfziger gekommen, gewinnen sie innere Überlegenheit und blühen als Großmütter noch einmal richtig auf - so wie Omis anderenorts natürlich kaum. Bleibt noch anzumerken, daß die Berlinerinnen es gewohnt sind, die Feste so zu feiern, wie sie fallen und nur ungern eine Einladung ausschlagen.


© Edition Luisenstadt, CD-ROM 1997: Berlin. Ansichten.
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