Wasserwerk Friedrichshagen
Bezirk Köpenick (Ortsteil Friedrichshagen)
Eröffnung 28. Oktober 1893

Nach 1870 stieg die Einwohnerzahl Berlins so rasch, daß die beiden Wasserwerke Berlins den Bedarf nicht mehr decken konnten. So beauftragte der Magistrat den englischen Direktor der Wasserwerke, Henry Gill, mit dem Bau eines weiteren Trinkwasserwerkes in Friedrichshagen.
     Das neue Wasserwerk in Friedrichshagen sollte nun Wasser dem See entnehmen, aufbereiten und über das 19 km entfernte Zwischenpumpwerk Lichtenberg - das zeitgleich geschaffen wird - durch das Leitungsnetz in die Haushalte fördern.
     Das gesamte Werk umfaßt im Jahre 1893 eine Fläche von 55 ha. Von seinen Erbauern H. Gill und E. Beer, die für die Technologie sorgten, und dem Berliner Stadtbaumeister R. Schultze war es geschickt in die märkische Kiefernwaldlandschaft eingeordnet.
     Die Beschädigungen durch den Zweiten Weltkrieg führten zu einer kurzzeitigen Unterbrechung der Trinkwasserversorgung. Doch am 2. Mai 1945 wurde wieder gefördert. Ab 1976 wurden weitere umfangreiche Rekonstruktionen und Erweiterungen als Folge des Wohnungsbaus für den östlichen Teil Berlins vorgenommen. Teile des Wasserwerks sind 1976 zum technisches Denkmal erklärt worden und seitdem geschützt. Die Hauptmenge des Berliner Trinkwassers kommt heute aus den Anlagen, die in der Zeit von 1979 bis 1983 errichtet wurden.
     1987 wurde im alten Schöpfmaschinenhaus ein Wasserwerk- Museum eingerichtet, in dem die hundertjährige Entwicklung des heute immer noch größten Berliner Wasserwerks nachvollzogen werden kann.
     Bis Mitte des vergangenen Jahrhunderts war es in Berlin noch durchaus üblich, Unrat und Schmutzwasser einfach auf die Straßen zu kippen und aus nebenstehenden Pumpen Trinkwasser zu holen. Besonders nach starken Regenfällen verwandelten sich die Straßen in übelriechende Schlammströme. Abhilfe tat not.
     Mit der Inbetriebnahme des ersten Wasserwerkes im Jahre 1856 vor dem Stralauer Tor war zunächst der Ostteil und ab 1877 der Westteil der Stadt durch das Werk in Tegel mit sauberem Trinkwasser über zentrale Leitungen versorgt.
     Bereits 1868 hatte Ingenieur Veitmeyer im Umfeld des 766 ha großen Müggelsees in Friedrichshagen mit umfangreichen hydrologischen Untersuchungen begonnen und in einer Denkschrift den Bau in Friedrichshagen empfohlen. Diesen Vorschlag griff Henry Gill auf. Entscheidend für die Standortwahl war auch, daß der Müggelsee seit Eröffnung des Oder-Spree-Kanals vom Schiffahrtsverkehr entlastet war und das betreffende Gelände zum größten Teil der Stadt gehörte.
     Während die Beamten- und Arbeiterwohnhäuser im englischen Landhausstil, z.T. unter Verwendung von Fachwerk, erbaut wurden, erfolgte der Bau der Maschinenhäuser und Aufbereitungsanlagen in einer Art märkischer Pseudogotik.
     Zur Verwendung kamen rote Rathenower Klinker, die - weiß verfugt - den Industrie- und Sozialbauten ihre Schönheit gaben. Sämtliche Gebäude erhielten steile Dächer mit roten holländischen Dachpfannen und kupfernen Zinnen. Zur Belebung der Bauten dienen hauptsächlich die in mannigfaltigen Formen gestalteten Giebel mit geputzten Blenden, Maßwerkfriesen und Ziegelmustern. Die Heizleitungen waren in unterirdischen, gemauerten Kanälen verlegt.
     Nach Fertigstellung der Stadt- und Ringbahn wurden ehemalige Randgebiete wie Lichtenberg, Friedrichshain und Prenzlauer Berg zu industriellen Konzentrationspunkten. Ausgedehnte Fabrikanlagen inmitten der dörflichen Gebiete entstanden in verhältnismäßig kurzer Zeit in Lichtenberg, Rummelsburg, Oberschöneweide, Johannisthal und Grünau sowie in Weißensee. In diese Zeit fällt u.a. die Inbetriebnahme des Wasserwerkes Friedrichshagen, des Abwasserpumpwerkes V in der Holzmarktstraße und des Lokschuppens auf dem Bahnhof Berlin-Heinersdorf. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts folgten verkehrstechnische Einrichtungen wie z. B. der Bau des Straßenbahnhofes Nordend in Niederschönhausen, der U- bzw. Hochbahnstrecke Potsdamer Platz - Stralauer Tor - Warschauer Brücke, der Osthafen in Friedrichshain als erster moderner Flußhafen Berlins.
     Maschinen- und Kesseleinheiten waren vorgesehen, die in dieser Größe noch keine Vorbilder hatten. Der Einbau der großen Aggregate erforderte auch eine Abkehr von der bis dahin üblichen Kraftwerksbauweise. Für die damalige Zeit maßstabsetzende Gebäude in Stahlskelettbauweise mit Mauerwerksausfachung wuchsen in die Höhe. Neuartige Überwachungsgeräte sorgten für einen reibungslosen Betrieb der elektrischen und dampftechnischen Anlagen. Erstmalig nahm man bei einem Kraftwerksbau Rücksicht auf die Landschafts- gestaltung. Um die Aussicht vom gegenüberliegenden Spreeufer mit seinen schönen Parkanlagen nicht zu stören, wurde das Werk vom diesseitigen Spreeufer abgerückt und die Kohleentladung über einen tief in das Werkgelände hineinführenden Stichkanal aus der Uferzone herausgenommen.


© Edition Luisenstadt, CD-ROM 1997: Berlin. Ansichten.
www.berlin-visite.de