Umspannwerk Scharnhorst

Wedding,
Sellerstraße 16–26.

Das heute stillgelegte U. gehörte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum flächendeckenden Netz der Stromverteilung in Berlin. Dieses dreiteilige Stromverteilungsnetz hatte eine 30 000-Volt-Ringleitung mit umfassendem Kabelnetz und lokalen Schaltstationen, den Abspannwerken. Hier wurde der Strom auf 6 000 Volt abgespannt, in das regionale Hauptversorgungsnetz eingespeist und über kleinere Trafostationen dann mit 380/220 Volt an die Endverbraucher weitergeleitet. In den 1920er Jahren diente dieses bereits um den I. Weltkrieg entwickelte System als Vorbild für den Aufbau einer modernen flächendeckenden Stromversorgung in Groß-Berlin. Das U. wurde als Großabspannwerk von 1927 bis 1928 nach Plänen des Architekten Hans Heinrich Müller (1879–1951), Chefarchitekt der Bewag von 1924 bis 1930, errichtet. Die Schaltwarte ist mittig im Obergeschoß angeordnet und wird über Oberlicht blendfrei beleuchtet. Die Besonderheit dieses Werkes besteht in einer sogenannten Lichtwarte auf dem Dach des Hauses. Dieser rundum verglaste Raum diente zur Überwachung der Straßenbeleuchtung im Zentrum Berlins. Von hier aus konnten die öffentlichen Beleuchtungen ein- und ausgeschaltet werden. Die Hauptfront des siebenstöckigen Abspannwerkes zum ehemaligen Nordhafen hin ist durch gleichmäßige, aus der Wand hervortretende, dreieckige Pfeiler gegliedert, in denen die Abluft der Schaltanlagen geführt wurde. Diese Front gehört zu den bedeutendsten Leistungen Müllers. An der Rückfassade fallen besonders die sieben Trafokammern mit Zuluftöffnungen und Entrauchungsschornsteinen auf. Der mit gelben Klinkern verkleidete Bau wurde von Müller in Anlehnung an die Formensprache der norddeutschen Backsteinbauten und den Werken Karl Friedrich  Kontext: Schinkel, Karl Friedrich Schinkels geschaffen. Seit Jahren stillgelegt, harrt das unter Denkmalschutz stehende Gebäude einer neuen modernen Nutzung.

 

© Edition Luisenstadt, 2002
Stand: 19. Mrz. 2002
Berliner Bezirkslexikon, Mitte
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