Kessler, Harry Graf

* 23.05.1868 Paris,
† 30.11.1937 Lyon,
Schriftsteller, Diplomat.

Nachdem seine Versuche in den diplomatischen Dienst einzutreten gescheitert waren, konzentrierte er sich auf seine kulturellen Ambitionen und trat in Berlin aber auch andernorts als Förderer von Theater und Literatur, bildender Kunst, moderner Buchkunst u. a. auf, gründete die Stiftung Nietzsche-Archiv und war von 1903 bis 1906 Vizepräsident des Deutschen Künstlerbundes. Er war im Ersten Weltkrieg zum Pazifisten geworden, gehörte ab 1918 der Deutschen Demokratischen Partei an, war danach wiederholt in diplomatischen Missionen tätig und trat für die Völkerbund-Idee ein. Der "rote Baron" nahm wiederholt an Gewerkschaftskongressen teil und publizierte 1920 "Die Kinderhölle in Berlin”, in der er die elende Lage von Arbeiterfamilien in Wedding und Friedrichshain dokumentierte. Er veröffentlichte 1929 eine Walther-Rathenau-Biografie. Zu einem wichtigen Zeitzeugnis wurden seine erst postum (1982) veröffentlichten Tagebücher von 1918 bis 1937, deren erster Band 1935 verboten worden war. 1933 übersiedelte K., der ein Gegner des Nationalsozialismus war, nach Mallorca, dann nach Paris. In Berlin hatte er in einer von Henry van der Velde (1863–1957) ausgestatteten Wohnung in der Köthener Straße 28 gelebt, die Anziehungs- und Treffpunkt des gebildeten Berlin war. Hierher kamen u. a. Albert Einstein (1879–1955), Gustav  Kontext: Stresemann, GustavStresemann und Virginia Woolf (1882–1941).

© Edition Luisenstadt, 2002
Stand: 21. Okt. 2003
Berliner Bezirkslexikon, Friedrichshain-Kreuzberg
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