Eine Annotation von Birgit Pietsch


Weißmann, Karlheinz: Der Nationale Sozialismus
Ideologie und Bewegung 1890-1933.

F. A. Herbig Verlagsbuchhandlung, München 1998, 368 S.

 

Nationalsozialismus - ein rein deutsches Phänomen? Nicht für Karlheinz Weißmann. Für ihn ist der Nationalsozialismus kein Ergebnis eines deutschen Sonderwegs, sondern eine mögliche Perspektive für alle europäischen Gesellschaften am Ende des 19. Jahrhunderts. Der Autor, der zu den „Neuen Rechten“ gezählt wird, schrieb 1995 Der Weg in den Abgrund. Deutschland unter Hitler 1933-1945, der als Band 9 der Propyläen Geschichte Deutschlands erschien. Der Verlag zog damals nach massiven Pressekritiken das Buch zurück. Weißmann betrachtet diese Veröffentlichung gleichsam als Anschlußband zu der hier vorliegenden Arbeit.

In Weißmanns Darstellung entstand der Nationalsozialismus als Ideologie und Bewegung zuerst in Frankreich und bildete unter den Bedingungen des Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn ganz verschiedene Facetten aus. Für ihn sind die Kennzeichen einer nationalsozialistischen Ideologie vor allem Führerkult, Massenmobilisierung und das Erfassen innerer und äußerer Feinde: „Die Wahrnehmung der inneren - Kapitalismus, Judentum, ,Artfremdes‘, ,Krankes‘ - und der äußeren Feinde- potentielle militärische Gegner, Besitzer von Ressourcen und ,Lebensraum‘ - hat zumindest die Bewegung in ihrem Kern bestimmt und zusammengehalten.“ Der Erfolg des Nationalsozialismus war, nach Weißmann, allerdings erst mit dem Zusammenbruch des alten Europa im Ersten Weltkrieg und dem Aufkommen der Massengesellschaft möglich. Eine erfolgreiche Variante wurde der italienische Faschismus. Weißmann sieht allerdings im Regime des Duce nur noch wenig Gemeinsamkeiten mit Mussolinis früheren Ideen. Der Autor führt weiter aus, daß ein voll entwickeltes nationalsozialistisches System, als „Modell einer neuen Ordnung zwischen liberalem Kapitalismus und Kommunismus“, erst in Deutschland entstand und damit auch zum Vorbild für viele kleinere nationalsozialistische Bewegungen wurde. Letztlich legt Weißmann seine Auffassung dar, wonach man den Nationalsozialismus „selbstverständlich für eine Häresie des Sozialismus halten darf, daß er ihm aber ein feindlicher Bruder war und ihm ähnlicher als allen anderen Ideologien des 20. Jahrhunderts“.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 11+12/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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