Eine Annotation von Helmut Caspar


Stroetmann, Annett: Dorfkirchen in der Mark Brandenburg
Symphonie aus Feldstein, Fachwerk und gebranntem Ziegel.

Edition anderweit, Suderburg-Hösseringen 1999, 129S., zahlr. Farbabb.

 

Den brandenburgischen Dorfkirchen geht es nicht gut, der Geldfluß für Sanierungs- und Restaurierungsmaßnahmen reicht nicht aus. Die Schäden aufgrund sträflich unterlassener Baumaßnahmen sind gewaltig, sie zu beheben überfordert die zumeist sehr kleinen Kirchgemeinden. Zuschüsse vom Staat können häufig nur für dringlichste Rettungsarbeiten verwendet werden. Annett Stroetmann spricht das Problem leider nur am Rande an, weist aber gelegentlich darauf hin, daß in den letzten Jahren da und dort mit Unterstützung der Gemeinden bereits Baumaßnahmen durchgeführt wurden. Lediglich in Anzeigen am Schluß des Buches finden sich Hinweise auf den Förderkreis Alte Kirchen Berlin-Brandenburg und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, die sich besonders stark in den neuen Bundesländern engagiert und dabei auch Dorfkirchen restaurieren läßt. Wer das Buch als Leitfaden für eigene Entdeckungen nutzt, wie sie die Autorin ihren Lesern nahelegt, wird mehrfach enttäuscht, wird sich vielleicht die im Literaturanhang genannten Werke besorgen, um besser informiert zu sein. Zunächst erfaßt der Bildband knapp 50 Dorfkirchen nur im nördlichen Teil des Bundeslandes Brandenburg. Aus unerfindlichem Grund bleiben nicht minder wichtige Sakralbauten südlich des Barnims und des Oderbruchs ausgeklammert. Dann sind die Beschreibungen der einzelnen Kirchen, denen die Autorin das reißerische Attribut „wildromantische Bauten“ verleiht, häufig oberflächlich und naiv, lassen kaum etwas von ihrer wechselvollen Geschichte, ihrer Ausstrahlung und ihrem Charme selbst noch in desolatem Zustand ahnen. Vertieft man sich nun in die kurzen Beschreibungen, fallen gelegentlich Ungereimtheiten wie diese auf: „Außer der hübschen Kirche bietet das Dorf Schwante den Besuchern ein Schloß. Dieses und der mit Sandsteinputten geschmückte Park sind zwar original erhalten, zeigen jedoch deutlich Spuren von Alter und Nutzung.“ Die Kirche in Radewege sei um 1900 zum Teil restauriert und ausgemalt worden, „aber in recht willkürlicher Art“ (was immer das heißen soll), und bei der Erwähnung der 1950 geweihten Kirche in Kunersdorf und dem Friedhof mit kostbaren Grabmälern vermißt man den Hinweis, daß das gräfliche Erbbegräbnis von solch bedeutenden Bildhauern wie Schadow, Rauch und Tieck geschmückt wurde und das Schloß nach dem Zweiten Weltkrieg kommunistischem Bildersturm zum Opfer fiel, wie so viele andere Herrenhäuser im Brandenburgischen auch. Außerdem: ob „schon“ 1541, also nach der Einführung der Reformation in der Kurmark, Mönche in der Kirche zu Schönerlinde Messen gelesen haben, scheint zumindest fraglich. Ebenso die Formulierung im Text zur Kirche in Altlewin, diese sei 1882 „erworben“ worden. Gemeint kann hier nur „gebaut“ sein, denn schon ein Jahr später wurde die Dorfkirche eingeweiht. Unsere Einwände sollen zeigen, daß man auch bei einem Bildband wie diesem aufs Detail achten muß. Leider vermißt man im vorliegenden Buch Innenaufnahmen. Die Abfolge von Außenansichten im gleißenden Sommerlicht ermüdet, die Farbfotos zeigen aber auch, daß viele Gotteshäuser mehr als nur einen Farbanstrich nötig haben.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 11+12/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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