Eine Annotation von Bernd Heimberger


Schultke, Dietmar: Keiner kommt durch
Die Geschichte der innerdeutschen Grenze 1945-1990.

Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 1999, 208 S.

 

Ein gutes Sachbuch kann beste „Spannungsliteratur“ sein. Was nicht bedeutet, daß Literatur eine spannende Sache ist. Eine spannende Sache ist „Die Geschichte der innerdeutschen Grenze 1945-1990“. Wahrlich keine Angelegenheit der Literatur, doch eine voller literarischer Geschichten. Auf die kommt’s Dietmar Schultke nicht an, der sich für sein Buch der Grenz-Geschichte Zu-Sätze zweier Schriftsteller sicherte. Günter Wallraff und Jürgen Fuchs tauschen Erinnerungen über die Bundeswehr beziehungsweise die Nationale Volksarmee aus. Persönlicheres, Spannenderes, Bewegenderes gibt’s in dem Buch Keiner kommt durch nicht. Der Wallraff-Fuchs-Dialog läßt an die unendlich vielen Menschen denken, die in den Jahrzehnten, dann doch, Nacht für Nacht, durch die Grenze kamen. Und zwar im Traum. In Träumen, die oft Alpträume waren. Millionenfache Grenzüberschreitungen, die mit der Geschichte der innerdeutschen Grenze zu tun haben, sind für Schultke kein Thema. Ist das für ihn tatsächlich die „innerdeutsche“ Grenze? Die Aufmerksamkeit des Autors gilt nicht den beiden Seiten der Grenze. Publizistisch aufbereitet hat er das „Grenzregime der DDR“. Ein Regime, das DDR-Bürger die Welt kostete. Ein Regime, das Hunderte, Tausende das Leben kostete. Nicht nur an der Grenze. Ein Regime, das die DDR schließlich die DDR kostete.

Nicht nur der riesigen ökonomischen Belastungen wegen. Die Grenze scheiterte, weil nur - so Schultke - „die Erfahrung der faktischen Auslöschung menschlicher Vernunft“ zählte. Der 1967 geborene Verfasser hat vieles zusammengelesen für sein Buch. Das meiste ist, wie der Titel Keiner kommt durch, Zitiertes. Schultkes Stück sieht nicht nur aus wie eine Diplomarbeit, es liest sich auch so. Die Materialsammlung bietet reichlich Stoff für eine Menge Sachbücher. Auch mit spannenden Geschichten der Geschichte der Grenze, die Dietmar Schultke verdunstete.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 11+12/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite