Eine Annotation von Björn Berg


Schmidt-Möbus, Friederike/Möbus, Frank: Who is who in Goethes Faust?

Edition Leipzig, Leipzig 1999, 144 S.

 

Wie häufig wurde ich in den Neunzigern gefragt, ob ich den neuen Grisham gelesen habe. Nie fragte jemand, ob ich den alten Goethe wiedergelesen habe. Auch nicht im Jubiläumsjahr. Über Goethe wurde geredet. Gelesen wurde Goethe kaum. Goethe wurde vergeigt. Hören und Sehen konnte einem vergehen. Wie nun weiter? Weiter so! Weiter mit Stenofassungen von der Art wie das von Friederike Schmidt-Möbus und Frank Möbus angebotene Kursbuch Who is who in Goethes Faust? Im ältlichen Kleid des Lexikons, angestrengt-modernistischem Sprachstil werden Figuren des goetheschen „Faust“ vorgeführt. Manches ist zum Personal zu erfahren, was im „Faust“ im Finstern bleibt. Genügt den Verfassern das Verbürgte nicht, verlegen sie sich gelegentlich auch aufs Vermuten. So schwillt - zum Beispiel - die an sich dürre Biographie der Marthe Schwertlein beträchtlich an. Was bedeutet, es kommt ein bißchen Belebung in die Truppe des ansonsten steif dastehenden Statistentrosses des „Faust“-Staats-Volkes. Wie sollte das anders sein in einer Ansammlung von Angelesenem? „Faust“-Leser können gelassen sein, zumal sie sowieso zuerst den „Faust“ lesen, eh sie sich auf einen Rat-Nach-Schlag einlassen. Um, dann und wann, doch zu staunen. Was naheliegend ist, wenn man auf so ein Stichwort wie Sternschnuppe stößt. Verblüffend, was die Autoren über den edlen und guten Menschen Goethe wissen, obwohl gesicherte Belege da sind, die berichten, wie wenig edelgut sich der Maestro gegenüber Jugendfreund Jakob Michael Reinhold Lenz verhielt. Das soll uns schnuppe sein? Wer schützt uns vor all den Goethe-Anbiederungen? Wer schreibt das Who is who der Goethe-Götzen?


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 11+12/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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