Eine Annotation von Jan Eik


Nesbø, Jo: Der Fledermausmann
Kriminalroman.
Aus dem Norwegischen von Günther Frauenlob.

Ullstein Verlag, Berlin 1999, 416 S.

 

Daß ein norwegischer Krimi ausgerechnet im fernen Australien spielt, mag verwundern, bietet dem Autor aber die Möglichkeit, uns den sechsten Kontinent und seine spezielle kriminelle Szene mit den Augen des Europäers nahezubringen. Nesbø, ein 1960 geborener Ökonom, Journalist und Rockmusiker, ist einer der hoffnungsvollen Newcomer in der gut entwickelten skandinavischen Krimiszene, die u. a. Hennig Mankell und Jan Gouillou hervorgebracht hat.

In Der Fledermausmann, 1997 als bester norwegischer Krimi mit dem Riverton-Preis ausgezeichnet, wird der Osloer Kriminalbeamte Harry Hole nach Sydney geschickt, um den Tod einer blonden norwegischen Fernsehtalkerin aufzuklären. (Kümmert sich die norwegische Polizei tatsächlich so intensiv um jeden im Ausland umgebrachten Staatsbürger?) Schon auf dem Flughafen lernt Harry den Aboriginal Andrew Kensington kennen, der ihm im Laufe der verschlungenen Ermittlungen nicht nur mit der Geschichte und mancherlei Eigenarten Australiens bekannt macht, sondern sich auch selbst als eine schillernde Figur mit merkwürdigem Bekanntenkreis entpuppt. Jedenfalls ist immer alles ganz anders, als der frischverliebte und fast trockene Alkoholiker Harry und mit ihm der aufmerksame Leser vermutet. Nach gut 200 Seiten scheint alles geklärt zu sein - in Wahrheit geht es erst richtig los.

Da Nesbø es liebt, seinen Roman mit allerlei Abschweifungen und australischen Mythen zu schmücken, zieht sich der zweite Teil bis zum hollywoodreifen Showdown ein bißchen in die Länge, was die Spannung mitunter, den Gesamteindruck jedoch nicht wesentlich beeinträchtigt. Auch norwegische Krimiautoren bevorzugen eben amerikanische Strickmuster ...


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 11+12/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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