Eine Annotation von Bernd Heimberger


Graham, Laurie: Bob, die Frau an meiner Seite
Aus dem Englischen von Edith Winner.

Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 1999, 174S.

 

Oma hat ein Problem - mit Opa. Eins, wie sie noch nie eins an der Backe hatte. Und sie hat so manches an der Backe. Opas unvernünftige Wettleidenschaft auf der Rennbahn. Opas Fuffzigsten. Die Leukämie von Enkeltochter Roxy. Die Heirat von Tochter Melody. Den Tod eines Jugend-Familien-Freundes und Verehrers. Das ist ganz schön dicke für’n kurzes Jahr. Dem dreißigsten Ehejahr, in dem Opa plötzlich Luft ablassen muß, um’s mal milde zu formulieren. Sohn Jason ist da weniger fein und schimpft Papa schlicht eine perverse Sau. Nicht, weil der Oma gegen eine Jüngere ausgetauscht hat. Opa will mal experimentieren, will partout Frau neben seiner Frau sein. Will im „Fummel“ auf dem Sofa sitzen und auf der Straße herumstolzieren. „Ich habe Schuhe und Höschen und alles“, verklickert Opa Bob der perplexen Oma Ba. Sämtlichen Irrungen und Wirrungen zum Trotz, verteidigt Ba schließlich Bob mit den Worten: „Er mausert sich zu einer attraktiven Frau.“ Zu dem Zeitpunkt läuft Oma bereits kahlgeschoren umher. Und nicht aus Solidarität mit der Enkeltochter. Älter geworden, doch noch nicht alt, entgrenzt das Ehepaar in Laurie Grahams Roman Bob, die Frau an meiner Seite lustvoll die Enge der Tage. Tapfer wird die alltägliche Trivialität in den Clinch genommen. Ritualisierte Geschlechterrollen geraten ein bißchen außer Rand und Band. Fades Eheeinerlei wird frecher und frivoler. Triviale Dialoge tröpfeln kräftig in die Trivialität hinein und höhlen sie aus. Die Autorin treibt ein trickreiches Spiel mit Travestie und Trivialität. Dumm daran ist, wer das Ernste des Spiels nicht leichtnimmt und das Heitere nie ernst genug. Wen die Last des Lebens an einem tristen Nachmittag zu sehr drückt, der kann sich die Seiten als schnellwirkende Entlastungspille reinziehen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 11+12/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite