Analysen . Berichte . Gespräche . Essays


Trotzdem, ich würde es wieder machen ...

Im Gespräch mit Ulrich Hopp, be.bra verlag

 

Herr Hopp, vor fünf Jahren haben Sie den be.bra verlag berlin-brandenburg ins Leben gerufen. Was damals „nur“ ein Sprung ins Ungewisse war, ist heute, vor dem Hintergrund des rückläufigen Umsatzes im Buchhandel, der Gefahr einer Aufhebung der Festpreisbindung und der Konzentrationsprozesse im Verlagswesen mit immer größeren Aufwendungen und Risiken verbunden. Haben Sie die Verlagsgründung bereut?

Nein! Natürlich gab und gibt es Momente, wo man sich fragt, lohnt sich das alles? Gerade jetzt, nach der Buchmesse und vor der Festlegung des Herbstprogramms ist so ein Punkt erreicht, wo man sich wünscht, es könnte eigentlich auch anders funktionieren, leichter, ohne die vielen Schwierigkeiten. Trotzdem, ich würde es wieder machen, allerdings durch Erfahrung bereichert anders.

Sie gründeten als Westberliner einen Verlag in Ostberlin. Welchen Einfluß hatte dies auf Ihre konzeptionelle Arbeit zu Beginn, und hat sich diese in den letzten fünf Jahren vor dem Hintergrund des fortschreitenden Einigungsprozesses verändert?

Als ich anfing, habe ich bei der Gewinnung von und der Zusammenarbeit mit den Autoren noch differenziert zwischen Ost und West. Die jeweils individuelle Erfahrung hatte anfangs sicher auch Einfluß auf die Buchidee und ihre Umsetzung. Heute beeinflußt das unsere Arbeit nicht mehr. Inzwischen fühlen wir uns zunehmend als Berliner, werdende Hauptstädter, die bereits zehn Jahre gemeinsamer Geschichte hinter sich haben. An unserem Buch, besser an unseren Büchern über den „Reichstag“, läßt sich dies illustrieren. 1995 verlegten wir mit Michael S. Cullen den „Reichstag“. Damals war das vor allem ein Westberliner Gebäude, vom Westen aus wahrgenommen und beschrieben. Fünf Jahre später liegt nun die 2. aktualisierte, ergänzte und völlig überarbeitete Auflage vor. Hier fällt sofort ins Auge, daß wir nun von einem Gesamtberliner Gebäude ausgehen, das auf eindrucksvolle Art Gesamtberliner und gesamtdeutsche Geschichte spiegelt. Diese Sicht auf Berlin - aber auch auf Brandenburg - bestimmte auch unser Herangehen bei solchen Büchern wie Die Brandenburger - Chronik eines Landes. Wir machen nicht mehr Bücher über die DDR, sondern Bücher über Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt usw., also die Bundesländer, die im weitesten Sinne den Lebensraum Berlin prägen. Ein Stück Normalität wollen wird damit befördern helfen, wie dies bei den Kölnern oder den Hamburgern im Verhältnis zu ihrem regionalen Umfeld selbstverständlich ist.

Für Sie hat demzufolge die oft herbeigerufene oder registrierte Mauer in den Köpfen keine Bedeutung mehr?

Ich kann es natürlich nur für mich und unser Programm sagen. Würde ich politische Inhalte zur Zeitgeschichte, insbesondere zur deutsch/deutschen vermitteln, wie dies z. B. bei meinem Kollegen Christoph Links der Fall ist, sähe dies sicher anders aus. Allgemein ist sicher festzustellen, daß die Mauer in den Köpfen da ist, daß es soziale Gefälle und Spannungen zwischen Ost und West gibt. Natürlich hat man als Ossi oder Wessi unterschiedliche Präferenzen und Sichtweisen, unsere verlegerische Arbeit wird dadurch jedoch keineswegs negativ beeinflußt, eher das Gegenteil.

Ein großer Teil Ihrer Publikationen hat den öffentlichen Raum Berlins in Geschichte und Gegenwart zum Gegenstand. Als Beispiele hierfür stehen „Der Reichstag“, „Kaufhaus Wertheim“, „Berliner Treppenhäuser“, „Die Friedrichstraße“, Berliner „U- und S-Bahnhöfe“. War dies von Anfang an Programm oder hat sich dies erst im laufe der Jahre manifestiert?

Wir hatten natürlich schon zu Beginn die Absicht, uns den öffentlichen Raum historisch zu erschließen und darüber zu publizieren. Doch programmbestimmend konnte dieser Bereich für uns erst im Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen Verlag und Autoren werden. Unser angestrebtes Ideal ist dabei, in diesen Büchern Bauwerke bzw. die Topographie der Region, deutsche Geschichte und die menschliche Situation - wofür meines Erachtens Kaufhaus Wertheim ein gelungenes exemplarisches Beispiele ist - mit einem Spannungsbogen zu verbinden.

Fünf Jahre sind im Leben eines Verlages ein beachtlicher Zeitraum. 65 Bücher haben Sie in dieser Zeit herausgegeben. Welche Titel davon zählen Sie als Verleger zu den hervorhebenswerten Erfolgen Ihrer Arbeit?

In der Regel werden Bücher an der Zahl der Auflagen und der Auflagenhöhe gemessen. Es gibt aber auch Bücher, die durchaus erfolgreich sind, zwar nicht gemessen an ihrer realiserten Auflage, wohl aber in ihrer großen Beachtung, die sie in der Öffentlichkeit finden. Zu diesen zählt für mich Anwalt ohne Recht, Untertitel: „Das Schicksal jüdischer Rechtsanwälte in Berlin nach 1933“, ein für mich absolut wichtiges Buch. Zu den „Verkaufsschlagern“ unseres Verlages gehören u. a. die U-Bahnhöfe und Die Brandenburger.

Wie finden Verlag und Autoren einander?

Meist steht bei unseren Projekten die Verlagsidee am Anfang. Dann suchen wir die potentiellen Autoren zu gewinnen und realisieren gemeinsam die Idee. Eher selten erhalten wir von Autoren „machbare“ Vorschläge.

Lesen Sie alle Manuskripte, sofern Sie eine Chance haben, in das Verlagsprogramm aufgenommen zu werden?

Nicht nur einmal.

Das ist für den Verleger von heute nicht gerade typisch. Liegt es daran, daß das Verlagsprogramm noch überschaubar ist, oder ist es Arbeitsprinzip?

Beides, aber wie lange sich das durchhalten läßt, kann ich heute nicht sagen. Mit erhofftem wachsenden Programm und Erfolg wird dies sicher schwieriger werden.

Finden Sie dabei noch Zeit, Bücher anderer Verlage zu lesen, sei es zur Entspannung, sei es zur Anregung?

Zur Anregung mehr die Bücher der Konkurrenz. Manchmal ist damit auch Ärger verbunden. Ärger darüber, daß man das Thema selbst gern bearbeitet hätte und zu spät gekommen ist oder die Möglichkeiten noch nicht ausgereicht haben. Und nicht wenige Anregungen über das Machen von guten Büchern kann man der Konkurrenz immer entnehmen. Entspannung erlebe ich gegenwärtig mit John Irvings Witwe für ein Jahr, einem Buch von Doris Dörrie und einem Krimi.

Die Titel weisen darauf hin, daß Sie sich bei Ihrer Lektüre wie viele andere von den Bestsellerlisten führen lassen.

Dem kann man sich wahrscheinlich, selbst wenn man im Verlagswesen tätig ist, nicht entziehen.

Herr Hopp, eingangs sprachen Sie davon, daß Sie, wenn Sie die Wahl hätten, die Verlagsgründung noch einmal wagen würden - bereichert um die Schlußfolgerungen aus Ihren vielfältigen Erfahrungen, die Sie während der letzten fünf Jahre erleiden mußten. Haben Sie auch Ängste als Verleger?

Mit der Angst müssen wohl alle kleinen Verleger leben können. Prinzipiell kann man sagen, daß wir in den vergangenen fünf Jahren jedes Jahr Zuwachs an Umsatz hatten, aber wie Sie wissen, ist Umsatz nicht alles. Wir haben sehr viel in unsere Bücher investiert, und wir gehen auch davon aus, daß unsere Bücher ein langes Leben haben. Was einen eher bedrückt, ist die zum Glück (noch) nicht zu beantwortende Frage: „Ist man der letzte eigenständige Verlag, der zwischen den Konzernen übrigbleibt, und wo kann man auf der Messe dann noch einen Stand ergattern?“

Gab es schon Übernahmeangebote?

Nein, es gibt verschiedene Kooperationsvorschläge von Verlagen meiner Größe bzw. von etwas größeren, aber Übernahmeangebote der Großen, wie Bertelsmann und Co., sind mir bis jetzt noch nicht untergekommen.

Bei welchem Betrag würden Sie schwankend werden?

Das kann ich Ihnen nicht sagen. Zum einen ist es so, daß ich mich momentan in persona mit be.bra identifiziere. Zum anderen fühle ich mich als unabhängiger Verleger wohl und will mir meine Unabhängigkeit bewahren, solange es irgend geht. Angestellter war ich lange genug. Zwar heißt es, „jeder ist käuflich“, insofern sollte man nie „nie“ sagen, doch ein mich umstimmendes Angebot hat mich noch nicht erreicht.

Das Gespräch führte Hans-Jürgen Mende


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 11+12/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite