Eine Rezension von Bernd Heimberger


Angst vorm Akt?

Salean A. Maiwald: Von Frauen enthüllt

AvivA Verlag, Berlin 1999, 212 S.

 

Der Rainer Maria feierte mit der Paula Geburtstag. Es war Paulas Fünfundzwanzigster. Gefeiert wurde in Berlin. Als Rainer Maria Rilke seine Monographie über die Künstler in Worpswede schrieb, hatte er kein Wort für Paula Modersohn-Becker übrig. Künstlerisch war sie die Kräftigste in der Kolonie. Die Malerin hat vieles gewagt und gekonnt. Sie malte sich selbst als Akt. Das hatte noch keine Künstlerin riskiert. Von Angelika Kauffmann, dem Kronjuwel weiblicher Malerei während der Goethe-Zeit, sind keine Aktdarstellungen bekannt, obwohl die „Geburtsstunde der weiblichen Aktkunst“ längst stattgefunden hatte. Als Geburtsurkunde weiblicher Aktkunst gilt das Gemälde „Susanna und die beiden Alten“ von Artemisia Gentileschi (1593 - nach 1651) - das Werk einer erst 17jährigen Römerin. Kraftakte waren nötig, bevor das Aktmalen und die Aktmalerei der Künstlerinnen akzeptiert und anerkannt waren. Selbst Anfang des 20. Jahrhunderts noch nicht das Selbstverständliche, ist ausgangs des Jahrhunderts festzustellen: „... die Frage nach Aktbildnissen in den vergangenen Jahrhunderten, von Frauen gemalt, löst meist Ratlosigkeit aus.“ Warum? Weil sich in der Kunst etwas vollzog, das die Kunstgeschichtsschreibung nicht nachvollzog? Es scheint so. Salean A. Maiwald hilft der von Männern dominierten Kunstgeschichts-schreibung auf die Sprünge. Die promovierte Psychologin, Autorin und Malerin hat das Thema „Aktdarstellungen durch Künstlerinnen vom Mittelalter bis zur Gegenwart“ ganz zu ihrem gemacht. So trocken der Untertitel, so sinnreich, sinnlich ist das Buch Von Frauen enthüllt. Es ist kein theoriebefrachtetes kunstwissenschaftliches Werk. Es ist auch kein Traktat, das mit feministischem Trotz verfaßt wurde. Die sachliche Darstellung der Tatsachen bestimmt Inhalt und Ausdruck der Texte. Mit Gespür für die Geschichten der verhinderten, geförderten, durchgesetzten Geschichte weiblicher Aktmalerei erzählt Maiwald Kurioses und Katastrophales. Nicht Anklägerin, enthüllt die Autorin in Von Frauen enthüllt, wie männlicher Dünkel und männliche Machenschaften Moral und Ruf der Künstlerinnen in Zweifel zogen, die sich weigerten, sich des Natürlichsten zu schämen: des nackten Menschen. Maiwald erzählt vom Leben der Malerinnen und Bildhauerinnen, die sich Eigenständigkeit ertrotzten und mit künstlerischen Arbeiten die Anerkennung der Aktdarstellung durch Künstlerinnen. Die Autorin hat genug Aufregendes zu berichten. Von Frauen enthüllt ist ein anregendes und ergiebiges Lese-Lern-Lehrbuch. Ein Buch, das für jeden da ist. Direktheit und Anschaulichkeit machen es leicht zugänglich. Die Monographie von Salean A. Maiwald bringt ein Thema ins Gespräch, das bislang eher in der Verschwiegenheit dämmerte und Ratlosen viele Antworten gibt. Um so was müßten sich die Verleger von Taschenbüchern schlagen!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 11+12/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite