Eine Rezension von Thomas Przybilka


Hetzjagd

Harry McCallion: Ohne Chance

Droemersche Verlagsanstalt Th.Knaur Nachf., München 1999, 282 S.

 

Ein SAS-Mann (Special Air Service - Eliteeinheit der britischen Streitkräfte) hat einen Manhunter-Thriller geschrieben: Ohne Chance. Der Plot zum Teil hanebüchen, dafür aber Action pur. Wer gerne knallharte Thriller liest, deren Personal dem einer Modesty Blaise oder einem kriegs- und kampfgestählten James Bond ähneln, ist mit Ohne Chance bestens bedient. Neben der rasanten Action-Story bedient die Geschichte gleichzeitig auch noch einen anderen Stil der Kriminalliteratur, nämlich (im weitesten Sinne) den Locked-room-Krimi. Ohne Chance ist zunächst Mark Fraser, der sich in einem eingezäunten urwaldähnlichen Forst mitten in Schottland einer Söldnerbande erwehren muß.

Fraser und seine Frau werden in Schottland zufällig Zeugen eines Mordes auf dem Grundstück des skrupellosen Industriellen Braxton. Braxton leistet sich eine gut ausgebildete Privatarmee ehemaliger Kriegsveteranen. Und diese Privatarmee hat Braxton auf Fraser und seine Frau angesetzt, um die beiden unliebsamen Zeugen des Mordes zu beseitigen. Frasers Frau kommt um, er selber überlebt, allerdings verletzt und mit temporärem Gedächtnisverlust. Langsam, sehr langsam kommt die Erinnerung zurück, geblieben sind Fraser allerdings antrainierte Kampf- und Überlebenstechniken, die er als Staff-Sergeant einer SAS-Einheit aus dem Effeff beherrscht.

Harry McCallion, der Autor dieser atemberaubenden Geschichte einer Menschenjagd, kann seine Herkunft als Fallschirmjäger ebendieser SAS-Einheit nicht verleugnen - er will es auch ganz offensichtlich nicht. Was Otto Normalverbraucher als Survival-Urlaub buchen kann - sofern ihn solche exzentrischen Ferienvergnügen reizen-, schildert McCallion aus Sicht und Erfahrung eines Berufssoldaten, dem solch Leben resp. Training in Fleisch und Blut übergegangen sind. So spielt dann auch die Aufdeckung eines großangelegten Plutoniumschmuggels durch die örtliche Polizeidienststelle eine untergeordnete Rolle, ebenso wie die Verwicklung eines hohen Polizeibeamten in die Affäre.

McCallion schildert dafür lieber und kraftvoll Leben und Überleben in Krisensituationen, so wie er sie wohl auf den verschiedenen Schauplätzen in Irland, Somalia und während des Golfkrieges selbst erlebt hat (oder hätte erleben können). Nonchalant berichtet er vom Überleben in feindlicher Umgebung, vom Töten mit und ohne Waffen - eine, zynisch gesagt, klare Arbeitsplatzbeschreibung eines hervorragend ausgebildeten Elitesoldaten.

Nur leider hat die gnadenlose Jagd auf Mark Fraser gnadenlose Schwachstellen. Und zwar immer dann, wenn es nicht um den Job des Überlebens/Tötens geht. Der Plot des Plutoniumschmuggels nach Schottland ist etwas weit hergeholt, das Auftauchen einer SAS-Agentin (gerade einmal 6 Wochen Training) nutzt der Autor, um über warme, weiche Frauenhände zu berichten, die durch Auflegen in Sekundenschnelle Alpträume verfliegen lassen.

Also, McCallion hätte besser bei seinen Leisten bleiben oder sich einen intelligenter geschriebenen Plot ausdenken sollen. Dennoch, bei aller Kritik, ein Menschenjagd-Thriller, der die ehemalige Profession des Autors gerade dort glaubwürdig widerspiegelt, wo es um die o. g. Erfahrungen des Überlebens und des Kämpfens geht. Aber kein Buch für Liebhaber des urbanen Ermittlerkrimis.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 11+12/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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