Eine Rezension von Eberhard Fromm


Ein pragmatischer Pragmatiker

Heinz Knobloch: Mit beiden Augen
Von Dresden nach Tennessee, Teil 1.
Mein Leben zwischen den Zeilen, Teil 2.

Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 1999, 256 u. 128 S.

 

Eierschecke nannte Heinz Knobloch den ersten Teil seiner autobiographischen Erinnerungen, der bereits 1995 erschienen ist und der hier unter dem Titel „Von Dresden nach Tennessee“ mit dem zweiten Teil, Nase im Wind, vereint wurde. Wir haben das erste der sieben Rezepte für Eierschecke geprüft und für gut befunden. Vielleicht gelingt es ja doch, die von Knobloch skizzierte „nördliche Eierscheckengrenze“ weiter in Richtung Berlin zu verlegen. Es muß ja nicht immer Kaviar sein ...

Der Schriftsteller Heinz Knobloch plaudert über sein Leben und die von ihm erlebte Zeit so, wie er in vielen seiner Bücher und Feuilletons stets geplaudert hat. Der „pragmatische Pragmatiker“, wie er sich selbst bezeichnet, kann und will auch hier nicht den geschulten Feuilletonisten verleugnen. Der programmatische Gesamttitel Mit beiden Augen signalisiert dem Leser die Position und Sichtweise des Autors. Und der findet sie für die turbulente Zeit zwischen 1926 und heute und für das nicht weniger bewegte Leben des gebürtigen Dresdners und langjährigen (seit 1935) Berliners immer wieder bestätigt: Es wird nichts geschönt, nichts Wesentliches ausgelassen, keine einäugige Sicht zugelassen. Trotzdem fallen einem Unterschiede auf: die mit viel Liebe erzählten Kindheitsgeschichten, die emotional bewegenden Schilderungen von Menschen und Orten aus der Kinder- und Jugendzeit; dann der zunehmende Sarkasmus in der Darstellung, der immer häufiger von einer skeptischen Lebenssicht begleitet wird.

Heinz Knobloch war nach seiner Schul-, Lehr-, Soldaten- und Kriegsgefangenenzeit als Journalist und dann als freischaffender Schriftsteller tätig. In den vielen Jahren seit 1953 bei der DDR-Wochenzeitung „Wochenpost“ entwickelte er sich zum profilierten Feuilleton-Schreiber. Man merkt seinem autobiographischen Text an, wie er noch heute erstaunt ist, daß und wie er es geschafft hat, zu einem gerngelesenen Autor zu werden. Ein wenig Stolz blitzt auf, wenn er hin und wieder einflicht, wie schwer seine frühen Bücher heute zu bekommen sind und zu welchen Preisen.

Knobloch erzählt sein Leben nicht streng chronologisch. Er erzählt a u s seinem Leben und seiner Zeit. Aber er läßt keines der Reizthemen aus, die heute gefragt sind. Und er bewahrt sich selbst für die persönlich schwierigen Situationen seine „leichte Hand“ der Darstellung, seinen Schuß Ironie, obwohl er doch weiß: „Ironie muß für die meisten Deutschen kursisv gedruckt werden ...“ Er macht aus seinem Überläuferabenteuer als Soldat der Wehrmacht keine Heldentat, berichtet darüber, was man (Heinz Knobloch) getan hat, wenn die Stasi kam, und erläutert - beinahe leidenschaftslos - seine „Parteikarriere“. Nur manchmal wird er etwas heftiger, so, wenn er seine Haltung zur Nationalhymne begründet oder wenn es aus ihm herausbricht: „Ich habe keine Einsicht beantragt in meine Gauck-Papiere, weil ich mich nicht demütigen mag vor pfäffischer Autorität.“ Knobloch bleibt immer darum bemüht, keine alten Legenden zu verbreiten - aber auch keine neuen zu erfinden!

Mit Vergnügen liest man die kleinen Unterbrechungen, die eigenständigen Stories, die eingeflochten sind in die Lebenserzählungen: „Wir verbreiten Gemüt“ über die Sachsen, „Was uns der große Moritz erzählt“. Erschrocken ist man dagegen über jene eingestreuten Sentenzen, in denen sich tiefe Skepsis, wenn nicht gar Pessimismus ausdrücken: „So ist das immer. Und deshalb wird nie etwas Gescheites aus der menschlichen Gesellschaft werden“; „Die Menschen wissen ja nicht, wie ähnlich sie sich sind“; jene Wertung des 8. Mai 1945 statt einer neuen Seite im Buch der Geschichte: „Es waren, wie immer, nur ein paar ausgelassene Zeilen.“

Heinz Knobloch spricht wenig über seine Arbeit als Schriftsteller. Zwar nennt er viele seiner Buchtitel (Der Blumenschwejk, Mir gegenüber, Herztöne und Zimmermannssplitter, Die guten Sitten, Pardon für Bütten), aber das geschieht beinahe nebenbei. Nur ab und zu flicht er ein paar Hinweise ein, die sein Anliegen und seine Arbeitsweise erhellen. So, wenn er von seiner Vorliebe für Tatsachen spricht, die voller poetischer Bezüge stecken und die man nur entdecken und herausholen müsse; oder wenn er darauf verweist, daß es ihn stets gereizt habe, über etwas zu schreiben, mit dem sich andere noch nicht beschäftigt haben.

Dankbar muß man dem Sachsen Knobloch für seine Berlinbücher sein. Dabei hatte er nach eigener Aussage gar keine Beziehung zu dieser Stadt. Er bekam sie erst später, dann aber „mit grimmigem Interesse“, als er merkte, „daß die Eingeborenen nur das über ihre Stadt wissen, was ihren Lehrern der Lehrplan vorschrieb.“ Seither hat er den Berlinern einiges erzählt: Stadtmitte umsteigen, Jüdische Friedhöfe in Berlin, Der beherzte Reviervorsteher, Meine liebste Mathilde. Vor allem aber sein Mendelssohn-Buch Herr Moses in Berlin, das 1979 erstmals erschien und inzwischen viele neue Auflagen erlebt hat.

Das Fazit, das Heinz Knobloch für sich und sein Leben zieht, klingt bescheiden - und ist doch die größte Hoffnung jedes Schriftstellers: „Wenn nur eine oder einer einen einzigen Satz von mir mit nach Hause nimmt und fortan ins Leben, war mein Dasein nicht umsonst.“


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 11+12/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite