Eine Rezension von Horst Wagner


cover  

Frauen mit Durchsetzungsvermögen

 

Gisela Karau: Weibergeschichten

Karl Dietz Verlag Berlin, Berlin 1999, 200 S.

 

Gisela Karau, zu DDR-Zeiten durch ihre Kolumnen in der „BZ am Abend“, aber auch durch Kinderbücher wie Der gute Stern des Janusz K. bekanntgeworden, hat sich auch nach der „Wende“ nicht zum Schweigen verurteilen lassen, sondern gehört im Gegenteil inzwischen zu den produktivsten Autoren Ostdeutschlands. Man hat sich schon beinahe daran gewöhnt, jedes Jahr ein neues Buch von ihr in die Hand zu nehmen, Bücher, die Zeitgeschehen reflektieren und zumeist voller interessanter Personenzeichnungen sind. 1990 war es Die Liebe der Männer, 1991 Ein gemachter Mann und Grenzerprotokolle, 1992 Stasi-Protokolle, 1994 Marthas Haus und das Kinderbuch Bolle, der freundliche Hund, 1996 Buschzulage, 1997 Küsse auf Eis und 1998 Go West. Go Ost. Romane also, Erzählungen, protokollarische Geschichtsaufarbeitung.

Weibergeschichten ist - Neuauflagen mitgerechnet - ihr 13. Buch seit 1990. Es enthält zehn Porträts von Frauen, mehr oder weniger prominenten, die alle in der DDR aufgewachsen und auch heute in ostdeutschen Landen zu Hause sind: die Journalistin Carla Wurdak, die u.a. DDR-Korrespondentin in New York und Chefredakteurin der Modezeitschrift „Sybille“ war; die Philosophin und Heilpraktikerin Christine Eschenbach; die Mode-Geschäftsfrau Elke Engelhardt; die Schauspielerin Gabriele Streichhahn; die Schriftstellerin, Lyrikerin und heutige DFD-Ehrenvorsitzende Gisela Steineckert; die Musikwissenschaftlerin und Rezensentin Dr. Liesel Markowski; die Reisekauffrau Petra Olthoff; die vor allem als „Kino-Eule“ bekanntgewordene Satirikerin Renate Holland-Moritz; die Zahnärztin Dr. Susanna Fichtner und die Restauratorin Uta Tyroller. Frauen unterschiedlicher Berufe also und unterschiedlichen Alters. Gemeinsam ist ihnen, daß sie Emanzipation als Aufforderung verstehen, sich durchzusetzen. Zumeist aus einfachen Verhältnissen kommend, haben sie die Chance genutzt, die sie in der DDR hatten, sich in ihrem Beruf zu qualifizieren und vorwärts zu kommen. Sie haben sich aber auch an diesem Staat, seinen Mängeln, Schranken und Entstellungen gerieben. Trotz dem sehen sie sich durchaus nicht als „Opfer“ und lassen sich ihre Biographie nicht schlechtreden. Ihre Erfahrungen aus dem einen Gesellschaftssystem nutzen sie, um sich auch in dem anderen mehr oder weniger gut zu behaupten. Es geht ihnen zumeist nicht schlechter heute, einigen geht es sogar deutlich besser. Dennoch bedauern sie den durch die „Wende“ bewirkten Verlust von geistig-moralischen Werten, die manchmal erst durch den möglich gewordenen Vergleich so richtig wertvoll erscheinen.

Alle zehn Porträts sind in der Form kleiner Ich-Erzählungen geschrieben. Dabei ist es Gisela Karau gelungen, in der Personensprache sehr viel Individualität auszudrücken, die Porträtierten unverwechselbar zu machen in ihrer Denk- und Sprechweise. Voller anekdotischer Begebenheiten und satirischer Zuspitzungen der Bericht der „Kino-Eule“ Holland-Moritz. Sachlich und erfahrungsreich die Erzählung der Journalistin Carla Wurdak. Ein wenig mystisch und geheimnisvoll die Darlegungen der Heilpraktikerin Eschenbach. Musikalisches Empfinden nahebringend und die eigene Persönlichkeit an der Seite eines Spitzenfunktionärs betonend, die Schilderungen Liesel Markowskis, deren Mann, ZK-Abteilungsleiter Paul Markowski, 1978 bei einem Hubschrauberabsturz in Libyen ums Leben kam. Fachlich-informativ und zugleich von Abenteuerlust getragen das Selbstporträt der Restauratorin. Voller Wärme und weiblicher Solidarität Gisela Steineckerts Erzählung über ihre Bücher und Begegnungen, ihre Beziehung zum Sänger Jürgen Walter und über ihre drei Ehemänner...

Einige der Porträtierten hat man selbst mehr oder weniger gut gekannt bzw. begegnet ihnen auch heute noch gelegentlich. Aber auch sie sind einem durch Gisela Karaus Buch wesentlich nähergerückt.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 11+12/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite