Eine Rezension von Hans-Rainer John


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Bittere Erfahrungen in Zentralafrika

 

Corinne Hofmann: Die weiße Massai

A 1 Verlag, München 1999, 320 S.

 

Ein Blick über die Tische der Buchhandlungen suggeriert den Trend, immer mehr Mädchen und junge Frauen ziehe es nach Afrika und zu schwarzen Männern. Da findet man Stefanie Gerckes Buch Ich kehre zurück nach Afrika („Das Schicksal einer Frau, die ihre Seele für immer an Afrika verloren hat“), Catherine Oddies Mein Leben mit dem Massai (die Geschichte einer Australierin, die in Kenia die große Liebe ihres Lebens trifft, den Massai Robert, ihn heiratet und an seiner Seite Sprache, Religion, Riten und Alltag des traditionsbewußten Volkes kennenlernt und sich schon bald von ihm akzeptiert sieht; noch kehrt sie jedes Jahr für einige Monate in ihre Heimat zurück, aber eines Tages wird sie, wie sie glaubt, immer in Afrika bleiben) und schließlich Corinne Hofmanns Die weiße Massai, das Buch, das wohl am meisten von sich reden gemacht hat.

Zu Recht, denn es ist ein realistischer, glaubhafter und anschaulicher, dabei lebendig und flüssig geschriebener Erlebnisbericht, der die traumhafte Geschichte Catherine Oddies entromantisiert. Auch Corinne Hofmann, Schweizerin, 27 Jahre, erfolgreiche Betreiberin einer Boutique in Biel, trifft die Liebe zu einem Massai-Krieger wie ein Blitz, als sie sich mit ihrem Lebensgefährten Marco einen Touristenurlaub in Kenia gönnt. Besessen von dem phantastischen schwarzen Körper Lketingas und seinen eleganten Bewegungen, bricht sie nach ihrer Rückkehr mit dem bisherigen Leben: Sie trennt sich von Marco, verkauft ihren Shop, kehrt nach Kenia zurück und begibt sich auf die Suche.

Dieser Teil der Geschichte, auf wenigen Seiten skizziert, ist für den Leser am schwersten nachvollziehbar, denn Corinne Hofmann ist kein unerfahrener Teenager mehr, und sie läßt sich auf einen Mann ein nur auf Grund des äußeren Bildes, ohne irgend etwas von ihm zu wissen. Sie kennt weder seine Sitten und Gebräuche noch seine Gedanken, Erfahrungen, Anschauungen, auch sein Charakter ist ihr fremd, denn beide können sich sprachlich nicht verständigen. Erst nach und nach lernen sie ein bißchen Englisch, und da erfährt sie, daß er Analphabet ist und nicht einmal rechnen kann. Auch der Sex ist eine Enttäuschung, denn er dient bei den Massai vor allem der Fortpflanzung, Kopf und Unterleib des Mannes sind für die Frau tabu. Das Küssen muß sie ihm erst mühevoll beibringen, und nicht einmal gemeinsam zu speisen ist erlaubt.

Aber alles, was weiter erzählt wird, weckt das Verständnis und das Mitgefühl des Leser. Es leuchtet ein und festigt in der Form der sachlichen Beschreibung und uneitlen Mitteilung das Vertrauen zur Autorin. Ihre Liebe bleibt nämlich trotzdem ungebrochen, und sie folgt dem Massai zu seinem Dorf 1 700 Kilometer in das Landesinnere, lernt seine Familie kennen, lebt mit ihm unter primitivsten Umständen, was Ernährung und sanitäre Verhältnisse angeht, in einer Hütte. Sie wird von Krankheiten gebeutelt und an den Rand des Todes geschleudert. Aber ihr Überlebenswille ist stark und die Bindung an Lketinga, den sie nach Überwindung unsäglicher bürokratischer Hürden inzwischen geheiratet hat, fest. Beide bekommen eine Tochter - Napira.

Bald erwacht Corinnes unternehmerische Initiative, und vermöge ihrer Ersparnisse aus der Schweiz schafft sie einen Landrover an und eröffnet einen Laden. Der verbessert die Lebensverhältnisse im Dorf gewaltig und wird sehr populär, aber die Entfernungen, über die Waren herantransportiert werden müssen, sind riesig, die zu bewältigenden Wege unbeschreiblich, und Lketinga ist keine Hilfe. Natürlich fehlt es ihm an technischem und kaufmännischem Wissen (ganz abgesehen vom Geld), andererseits fühlt er sich als Besitzer und Betreiber, der anordnet und entscheidet, selbständig handelnde Frauen werden bei den Massai kaum toleriert. So werden Waren verschleudert, Kunden verärgert, notwendige Mitarbeiter verjagt. Auch erfaßt Lketinga angesichts seines Unvermögens und seiner offenbaren Unterlegenheit schließlich eine zerstörerische Eifersucht, die übelste Launen, Trunksucht und eine Totalüberwachung der Frau zur Folge hat. Liebe schlägt um in Haß, es geht nur noch um den Besitz von Napira, die innere Bindung der Eheleute reißt.

Unter der Vorspiegelung, lediglich für einen Urlaub mit ihrer Tochter in die Schweiz reisen zu wollen - sonst hätte sie die notwendige schriftliche Zustimmung ihres Mannes zur Ausreise nicht erhalten -, fliegt Corinne Hofmann in ihre Heimat. Es wird jedoch eine Flucht, von der es keine Rückkehr gibt. Trotz übermenschlicher Anstrengungen und einem Entgegenkommen, das an Entsagung und Selbstverleugnung grenzt, ist der Traum zerstoben, kulturelle Differenzen bewältigen zu können.

Die Autorin erzählt nur ihre eigene Geschichte, unambitiös und ohne romanhafte Ausschmückung, aber die ist dramatisch genug, um auch in diesem Sachbuch, das sich ja eher als Reportage denn als geformte literarische Leistung versteht, zu fesseln. Hochinteressant sind die von Vorurteilen freien Schilderungen der innerafrikanischen Verhältnisse und der energischen Pflege von Riten, Regeln und Traditionen, die dort das Leben bestimmen. Erstaunlich, wie hoch ethische Werte im Kurs stehen, allein es ist eine Männerwelt und das Los der Frauen wohl doch bedauernswert.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 11+12/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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