Eine Rezension von Friedrich Kleinhempel


Kirchen im Barnimer Land - ein weiteres ABC

Hans-Joachim Beeskow: Führer durch die evangelischen Kirchen des Kirchenkreises Barnim
Herausgegeben vom Evangelischen Kirchenkreis Barnim.

Heimat-Verlag Lübben, Lübben 1999, 219 S.

 

Nach dem Führer durch den evangelischen Kirchenkreis Lübben von 1998 (vgl. Berliner LeseZeichen 2/99) legt Hans-Joachim Beeskow, promovierter Theologe und ausgewiesener Kirchenhistoriker, hiermit seinen zweiten alphabetischen Kirchenkreisführer vor. Auch dieser neueste Kirchenführer durch einen der brandenburgischen Kreise stellt sich als sehr ansprechendes Büchlein dar, klein und handlich für die Jackentasche, mit vielen farbigen und schwarzweißen Abbildungen sowie zwar knappen, dennoch detaillierten, bestens
recherchierten Angaben zu Baugeschichte und Innenausstattung der 70 vorgestellten Kirchen. Zusätzlich ist das Buch u. a. ausgestattet mit einer alphabetischen Aufzählung der 70 Kirchen, einer Landkarte mit den Kirchenstandorten sowie einem Verzeichnis der Kirchen mit Zuordnung der Pfarrämter samt deren Adressen, Telefon- und Fax-Nummern. Ein weiteres Mal bestechen den Betrachter H.-J. Beeskows meisterhafte Kirchen-Farbfotografien - vom Titelfoto angefangen (Deckenmalerei in der Kirche zu Hohenfinow: „Christus als Weltenrichter“, 1906-1910) bis zur Umschlagrückseite (Kreuzigungsgruppe vom Ende des 15. Jahrhunderts in der Bernauer St. Georgen-Kapelle), vom ausgesprochen schlichten Gemeindehaus Altenhof bis zur noch nicht hundertjährigen Kirche Zühlsdorf- wiederum also von A bis Z.

Das Territorium des gegenwärtigen evangelischen Kirchenkreises ist ein Teil der alten Barnimer Landschaft in der brandenburgischen Mittelmark, die - nordöstlich an Berlin grenzend - ein größeres Gebiet zwischen Uckermark, Oderbruch, mittlerer Spree und Havel einnahm. In alten Urkunden wird sie Terra Barnym genannt. Der einstige Teil Older Barnem oder Alter Barnim, mit den Vogteien Liebenwalde und Oderberg, reichte nördlich des Flusses Finow bis zur Uckermark und umfaßte die Gegend von Liebenwalde und Zehdenick an der Havel ostwärts bis Parstein und Oderberg an der Alten Oder. Der einstige Nye Barnem oder Neue Barnim umfaßte die Gegend nördlich der Spree bis zur Finow zwischen der Havel und der Löcknitz, mit den Vogteien Biesenthal und Strausberg, und bildete seit etwa 1230 mit dem Teltow - dem Land südlich der Spree zwischen Havel, Nuthe und Dahme bis zum Teltowschen Bruch - den Pagus Sprewa oder den Spreegau. Aus dieser frühen Zeit sind noch etliche der vorgestellten Kirchengebäude - zumindest in Teilen- erhalten, etwa ihre massigen Feldstein- bzw. Granitgemäuer. Im 14. Jahrhundert war das Barnimer Land in die Distrikte Berlin, Biesenthal und Strausberg geteilt. Zur Zeit des preußischen Regierungsbezirkes Potsdam existierten die Kreise Niederbarnim (Landratsamt in Berlin) und Oberbarnim (Landratsamt in Freienwalde). Vor hundert Jahren hatten sie zusammen neun Städte, 213 Landgemeinden, 133 Gutsbezirke und etwa 280 000 Einwohner.

Der heutige - weitaus kleinere - evangelische Kirchenkreis Barnim, der nicht verwaltungskongruent mit dem Landkreis Barnim ist, erstreckt sich von Joachimsthal und Althüttendorf im Norden bis Zepernick und Krummensee im Süden, westlich bis Zerpenschleuse und Zühlsdorf, östlich bis Liepe und Falkenberg. Er schließt die Städte Bernau, Biesenthal, Eberswalde-Finow, Falkenberg, Joachimsthal und Werneuchen ein. Die 70 evangelischen Kirchen im Kirchenkreis werden von 22 Pfarrämtern verwaltet. Bewegungen eiszeitlichen Inlandeises formten einst diese Landschaft mit ihrem reichen Mosaik von Sand- und Lehmplatten, End- und Stauchmoränen, feuchten Niederungen, nord-südlich gerichteten flachen Tälern und langgestreckten Rinnenseen, wie dem Werbellinsee oder den im Wandlitz-Biesenthal-Prendener Seengebiet gelegenen Seen. Die Landschaft wird immer noch von ausgedehnten Wäldern und weiten Ackerflächen geprägt. Die Autobahn A 11, mehrere Fernverkehrsstraßen, der Oder-Havel-Kanal und der Finow-Kanal durchziehen, dichtbefahren, den Kreis.

Die schönen, wie schon im Lübbener Kirchenführer herzhaft-farbigen, fast weihevolle Ruhe ausstrahlenden Fotografien der zumeist alten Barnimer Dorf- und Stadtkirchen aus äußerer Perspektive, oft inmitten der zugehörigen Kirchhöfe, Baumgruppen, Einfrie-dungen etc., werden im Buch ergänzt durch Schwarzweiß-Aufnahmen des Inneren der Gotteshäuser. In Schwarzweiß ist auch manches äußere Detail abgebildet, z. B. das aktuelle Baugerüst für den momentan aus Klinkersteinen zu errichtenden Glockenturm am Gemeindehaus Altenhof, welcher im Jahre 2000 mit den drei schon vorhandenen Hartguß-Glocken aus der ehemaligen Schöpfurter Kirche eingeweiht werden soll, das grundsolide wirkende Fachwerk-Hospitalgebäude von 1783 neben der Bernauer St. Georgen-Kapelle sowie einige teils wunderschöne alte und jüngere Portale, wie beispielsweise die spätromanischen Westportale aus dem 13. Jahrhundert in der alten Kirchenruine Beiersdorf und der Kirche in Biesenthal), das barocke Ostportal der Dorfkirche Britz, das schöne, ebenmäßige Nordportal von 1868 in Klandorf, die jüngst originalgetreu rekonstruierte Eingangstür der Fachwerkkirche Tuchen, ein attraktiv rekonstruiertes Haus, das seit dem 18. Jahrhundert mehrfach äußerst desolat und bereits zum Abriß freigegeben gewesen war, schließlich das Nordportal der Ziegelfachwerkkirche in Zerpenschleuse im sogenannten Schweizer Stil der Schinkel-Nachfolge.

Das Bild vieler Dörfer und Städte - auch im Barnimer Land - ist geprägt durch die Kirchen, so Horst Ritter, Vorsitzender des Kirchenkreises, im seinem Geleitwort. Wie gesichtslos würde mancher Ort wahrgenommen ohne die markanten, von weitem erkennbaren und oft in den Sichtachsen von Straßen aufragenden Kirchtürme. Kirchtürme wurden so zu wegweisenden Symbolen: religiösen für die gläubigen Christen, ihrem Gott zu begegnen, topographischen für alle Bewohner der Siedlungen und für Reisende. „Deshalb wächst zunehmend das Interesse an der Erhaltung dieser Bauwerke - die Kirche muß im Dorf bleiben!“ (Horst Ritter, ebenda). Hans-Joachim Beeskows Büchlein kann helfen, die Kirchen im Bewußtsein zu erhalten und neu zu entdecken als lebendiges Erbe, worin sich spiegelt, was Menschen früherer Generationen mehr noch als heute Zentrum, Orientierung und Hoffnungsträger war. Der Autor lädt auch ein, das Kircheninnere wahrzunehmen, zu erleben, sich beeindrucken zu lassen von diesen oft altehrwürdigen Räumen, ihren mitunter einfachen, manchmal erstaunlich kunstvollen Architekturen, ihren teils höchst künstlerischen Ausschmückungen und ihrer Symbolik. Bei der Beschreibung der Kirchen bezieht er auch Gebäude ein, die nicht den verbreiteten Baustil mit Westturm, Kirchenschiff, Chor, Apsis usw. verkörpern, sondern eher untypische gottesdienstliche Stätten sind, wie z. B. der Gemeinderaum in Altenhof (Baugenehmigung 1987, Grundsteinlegung 1988, Einweihung 1996) oder die Friedenskirche in der Kolonie Britz, volkstümlich „St. Schraube“ genannt, weil sie 1954 in dem Flachbau einer ehemaligen Schraubenfabrik, durchaus sehr ansehnlich, eingerichtet worden ist.

Von äußerster Vielfalt sind die Kirchen im Barnim. Jede ist anders, jede ein Unikat: die kleine mit dem wuchtigen Holzturm in Althüttendorf wie die riesige, vierschiffige, prachtvoll ausgestattete Backsteinhallenkirche St. Marien in Bernau, der gedrungen und behäbig wirkende spätromanische Feldsteinbau der Börnicker Dorfkirche ebenso wie die neogotisch ansehnlich und hoch aufragende Maria-Magdalenen-Kirche in Eberswaldes Stadtmitte, sowohl der schlicht langgestreckte Fachwerkbau von 1820 in Falkenberg als auch der imposante, mächtige, ehrfurchtgebietende Granitquaderbau der Kirche zu Heckelberg, welche (mit ihrem nachgewiesen von 1225 stammenden gesunden Eichenbauholz) zu den ältesten erhaltenen Baudenkmälern im Oberbarnim gehört.

Geschaffen wurden die Kirchen und ihre Ausstattungen seit jeher von einheimischen Arbeitern, Handwerkern, Technikern und Künstlern, wie z. B. vom Britzer Tischlermeister Schaede, der im Jahre 1954 den Altar mit Kreuz, die Kanzel und die Taufe der Britzer Friedenskirche schuf. Bereits Mitte des 13. Jahrhunderts hatten Zisterzienser-Mönche des Klosters Lehnin gemeinsam mit Bauern und Landhandwerkern aus „Wandelitz“ und Umgebung Hand angelegt, um das heute noch erhaltene Granitgemäuer der Wandlitzer Kirche zu errichten. 1889 entwarf der Königliche Kreisbaumeister Düsterhaupt die neogotische Kirche Finow; den Altar mit messingnem Kruzifix stifteten 1891 die ortsansässigen Schulen. Die Orgel der Kirche zu Willmersdorf wurde 1858 vom Freienwalder Orgelbaumeister Mickley hergestellt. Auch nach außerhalb wurden Aufträge vergeben: Für die Orgel der Maria-Magdalenen-Kirche Eberswalde zum Beispiel arbeiteten die Berliner Orgelbauer Ernst Marx, der sie 1783 schuf, und Friedrich Marx, der sie 1824 umbaute, sowie die Bautzener Orgelbaufirma Eule zur großen Renovierung des Instruments. Einheimische Orgelbaufirmen waren ebenfalls beteiligt: Kienscherf mit Umbau und Instandsetzung 1852 und 1925, schließlich Ulrich Fahlberg 1986 zur gründlichen Überholung der gesamten Mechanik. Die Kleinorgel der Werneuchener Stadtpfarrkirche stammt von der Rochlitzer Firma Schmeißer, 1959; im gleichen Haus das Altarkreuz aus Messing vom berühmten Berliner Kunstschmied Fritz Kühn, die Glasmalereien des Chores vom Rostocker Künstler Lothar Mannewitz (1958-1960). Kein Geringerer jedoch als der Königlich-Preußische Geheime Oberbaurat Karl-Friedrich Schinkel zeichnete verantwortlich für die Entwürfe der im nordisch-gotisierenden Stil aus Backstein erbauten und verputzten Kirche zu Joachimsthal, welche nach verheerendem Stadtbrand von 1814 wieder aufgebaut werden mußte. Nach mannigfaltigen zeit-, witterungs-, brand- und kriegsbedingten Schäden an nicht wenigen der Gotteshäuser waren und sind immer wieder Reparaturen und Erneuerungen vorzunehmen, auch Erweiterungs- und Neubauten, technische Modernisierungen.

Unvergleichlich vieles hat der Autor zusammengetragen, um die anregende Darstellung des Barnimer evangelischen Kirchenführers zu schaffen. Auf absolute Vollständigkeit konnte er nicht bedacht sein, wie er in seiner Einführung mitteilt. So bleibt auch diesmal genügend Raum für Aktivität und Phantasie, selbst auf vielversprechende und vielleicht überraschende Entdeckungsreisen zu gehen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 10/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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