Eine Rezension von Björn Berg


New York, New York City

Sven Kuntze: New York City
Eine wunderbare Katastrophe.

Econ Verlag, München 1999, 268 S.

 

Gibt’s eine New York-Bibliothek? In New York oder anderswo? Eine Bibliothek, die nur Bücher zum Thema New York sammelt? Nichts davon in dem Buch New York City. Eine wunderbare Katastrophe. Geschrieben hat das der Fernseh-Journalist Sven Kuntze. Womit zunächst nur die Tatsache festgestellt ist, daß der Autor die immer üppiger werdende Bibliothek der New-York-Bücher mehrte. Das sagt einiges, nicht alles. Kuntzes Stadtbeschreibung ist nicht das alternative New-York-Buch. Es ist eine Alternative zu vielen New-York-Büchern der Neunziger. Sven Kuntze ist korrekter als die meisten Kollegen. Bereits der Titel ist konsequenter, weil er das Terrain nennt, das gemeint ist, wenn von New York gesprochen wird. Unvermeidlich ist, daß der Verfasser dennoch häufig das gemeinte Gelände verläßt. Was wäre New York ohne New York City, was die amerikanische Gegenwart ohne ihre Vergangenheit? Frei von den Zwängen konformer Interviews und Talk-Show-Fragen, ist der Journalist der Unterhalter, der es genießt, gelassen durch die Stadt zu schlendern und, wenn immer ihn die Laune packt, die Grenzen der City und Zeitgeschichte zu überschreiten. Das macht, daß die Leser nicht müde werden, dem New-York-City-Führer zu folgen. Was dem einen eine „wunderbare Katastrophe“ ist, war dem anderen, dem Dramatiker Heiner Müller, „ein Irrtum“. Wie auch immer: Das Wunderbare wundert so wenig, wie das Katastrophale bestürzt. Haben wir zu viele Manhatten-Fernsehbilder gesehen und USA-Berichte gelesen? Kuntze will nicht verblüffen und doch überraschen. Seine Stadtbekanntschaft basiert auf intensiven und innigen Begegnungen mit Menschen und Gebäuden. Gespräche mit den Leuten von der Straße, Geschichten von den Gründern der Gebäude und ihrer Bewohner füllen die meisten Seiten. Mit einer gehörigen Portion Ironie pflegt der unterhaltende Erzähler Umgang mit der wunderbaren Katastrophe. Der Schilderer von New York City ist ein Entdecker, der der Welt ein Weltzentrum entdeckt. Zum Beispiel in dem einzigartigen Spiel von Licht und Schatten, das Lage und Anlage von New York City ermöglichen. So konkret das gemeint ist, auch im übertragenen Sinne spricht Sven Kuntze ständig vom Licht und Schatten New York Citys. Was einem Klischee entspricht? Der Stadtgänger hat sich von keinem Licht blenden, von keinem Schatten ängstigen lassen. Er hat das Helle im Dunklen, das Finstere im Schein gesehen. All das, woraus die Romane gemacht sind, die in New York City spielen und Amerika meinen. Nicht mehr zu vergessen ist, wie und weshalb Schwarze anders gehen als Weiße!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 10/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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