Eine Rezension von Sven Sagé


Nix ohne Nonsens

Peter Köhler (Hrsg): Das Nonsens-Buch

Philipp Reclam jun., Stuttgart 1999, 351 S.

 

Der Sinn des Nonsens ist der Non-Sinn! Womit wir schon mittendrin wären im Zwischen-, Hinter-, Vorder-, Unter-, Ober-, Drumherum-Sinn des Nonsens. Womit auch angedeutet ist, daß Nonsens eine Realität ist wie eine Hure. Also etwas fürs Vergnügen und Verleugnen. Schweigen wir über den Verdruß, der auf dem Fernseh-Strich aufkommt, seit die Hure Comedy heißt. Um im Milieu zu bleiben: Das von Peter Köhler etablierte Nonsens-Buch ist ein Edelpuff. Nicht nur für die unfeine Gesellschaft, die sich selbst als die feine feiert. Das Etablissement ist für jedermann da, dem keine verwirrende Verwirrung fremd ist. Das Verrückte gibt den guten Ton an. Desto ungereimter das Gereimte, desto gereimter das Ungereimte, desto vollkommener der vollkommene Un-Sinn. Kompakter und kompletter Nonsens also. Warnung: Nicht alles, was nach Nitribit aussieht, ist auch Nitribit. Manches sieht aus wie Muttchen-Nuttchen mit Nebeneinnahme. Ansonsten kriegt man echt een Ooge, wer sich so allet im Nonsensbetrieb herumtrieb. Von manchem Schlawiner wußten wir. Vom Göttinger Professor Lichtenberg, dem Berliner Gassenkalauerer Glassbrenner. Daß Leute wie Karl Valentin und Heinz Ehrhardt lockere Vögel waren, ist landbekannt. Auch, daß die Allesmitmischer, von Gernhardt bis Henscheid, nicht die Pfoten vom Nonsens lassen können. Daß auch Altehrwürdige wie Hans Sachs und Lessing den Nonsenssudel liebten wie auch der Melancholiker Mörike und der Tragiker Celan, muß stutzig machen. Nonsens fürs Vergnügen zwischendurch? Für alle? Alles Nonsens und sonst nix? Nix ohne Nonsens? Im vernebelten Licht der Realität beguckt, bekommt ein Sponti-Spruch der frühen Achtziger erst jetzt seine wahre Bedeutung: „Auch im Osten trägt man Westen.“ Womit gesagt ist, Nonsens ist der Prophet, der nichts gilt in der Literatur?


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 10/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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