Eine Annotation von Eberhard Fromm


Müller-Waldeck, Gunnar/Gratz, Michael (Hrsg.): Wolfgang Koeppen - Mein Ziel war die Ziellosigkeit

Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 1998, 371 S.

 

Veröffentlichungen zu wissenschaftlichen Tagungen haben meist das gleiche Schicksal: Sie sind für Spezialisten gedacht und werden also auch nur - oder vor allem - von diesen gelesen. Das gilt wohl auch für die vorliegende Zusammenstellung von Materialien einer ersten internationalen Konferenz zum Schaffen von Wolfgang Koeppen (1906-1996). Die Konferenz fand bereits 1995 in Greifswald, der Geburtsstadt des Schriftstellers, statt. Die etwa 50 teilnehmenden Literaturwissenschaftler kamen aus allen Teilen der Welt, was sich auch bei den Autoren des vorliegenden Bandes widerspiegelt.

Der Koeppen-Kenner, sei es nun ein intensiver Leser dieses Schriftstellers oder ein Literaturkritiker, kann sicher von der Fülle der Beiträge und behandelten Probleme profitieren. So erfährt man beispielsweise aus den Recherchen von Jörg Döring (Berlin) interessante Details über die Tätigkeit Koeppens als Drehbuchautor während der NS-Zeit oder im Beitrag von Eugen Satschewski (Rußland) einiges über die Beziehungen Koeppens zur Gruppe 47.

Der Schwerpunkt der Analysen liegt jedoch bei den einzelnen Werken des Autors. So befassen sich allein sechs Beiträge mit dem Roman Der Tod in Rom, jeweils zwei mit Tauben im Gras und Jugend, und selbst zu den Reisebüchern Koeppens gibt es mehrere Untersuchungen. Auch das essayistische Schaffen Koeppens wird untersucht, und Henrik Nikula (Finnland) legt interessante linguistische Beobachtungen zu der Erzählung Romanisches Café vor. Immer wieder kommt es in den Analysen zu Vergleichen mit anderen Autoren des 20.Jahrhunderts, so in dem Beitrag von Klaus von Schilling (Karlsbad), der den Tod in Rom als Roman zwischen Thomas Mann und Franz Kafka bestimmt, oder in dem Vergleich zwischen Koeppen und dem japanischen Romancier Oe Kenzaburo von Yutaka Yamaguchi (Japan). Einige der Beiträge beschäftigen sich vorwiegend mit der Suche nach autobiographischen Elementen in den Werken von Koeppen.

Beim Lesen der einzelnen Artikel ist man ein wenig erstaunt über die fast gänzlich fehlende Polemik untereinander. Die Analysen, Einschätzungen, Bewertungen usw. werden zumeist allein aus der Interpretation Koeppens gewonnen, ohne Bezug zu möglicherweisen anderen Positionen innerhalb der Literaturwissenschaft. Bei der bereits umfänglichen Literatur zum Schaffen Koeppens erscheint eine solche Einstimmigkeit verwunderlich.

Der Sammelband enthält eine Reihe aussagekräftiger Fotos, wobei das Bild von 1991 Koeppen wohl in der Ruine von Eldena (nicht Eleda) zeigt. Im Anhang findet der Leser eine Zeittafel zum Leben und Schaffen des Autors, eine Auflistung seiner Werke sowie eine umfängliche Bibliographie zur Sekundärliteratur mit 323 Titeln.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 9/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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