Eine Rezension von Björn Berg


Brüchige Bindungen

Marina Bohlmann-Modersohn: Paula und Otto Modersohn

Rowohlt.Berlin Verlag, Berlin 1999, 191 S.

 

In Berlin feierte sie mit Rainer Maria Rilke ihren 25. Geburtstag. Für Rilke kein Grund, Paula Modersohn-Becker auch nur mit einem Wort zu erwähnen, als er eine Monographie über die Worpsweder Künstler schrieb. Egoman, wie der Dichter nun mal war, sah er die Frau, nicht aber die Künstlerin, das heißt ihre ganze, tatsächliche Persönlichkeit. Die durchaus verwirrende Komplexität der Paula Becker hat nur einer verstanden und gebilligt: der Maler Otto Modersohn. Über seine spätere, zweite Frau sagt der elf Jahre Ältere: „Verstanden wird sie von niemandem.“ Modersohn und Becker kannten sich ein knappes Jahrzehnt. Mehr als die halbe Zeit waren sie verheiratet. Die von Paula zögerlich begonnene, mit Zweifeln geführte Ehe hätte sich entwickeln können, wäre sie nicht drei Wochen nach der Geburt der Tochter an einer Embolie gestorben. Eine Unbekannte, Verkannte, Unvollendete war gestorben. In ihrem fragmentarischen künstlerischen Werk war genug Vollkommenes. Im nachhinein ist festzustellen, daß die Ehe mit Modersohn die bessere Wahl war. Ein Rilke konnte zu keiner Künstler-Frau so selbstlos und rücksichtsvoll stehen. Die Rilke-Beziehung und die Modersohn-Bindung bestimmten wesentlich das kurze Leben der Malerin (1876-1907) und folgerichtig auch die Paula-und-Otto-Modersohn-Biographie, die Marina Bohlmann-Modersohn verfaßte. Die Geschichte des Paares hätte auch Paula, Otto und Rainer Maria überschrieben sein können. Wirklich wichtig war der gebürtigen Dresdnerin Paula Becker nur Paula Becker. „Denn ich werde noch etwas“, schrieb sie selbstgewiß kaum zwei Jahre vor dem Sterben aus Paris an die Mutter. Das spricht für die dominante und souveräne Art der Porträtierten, die selbstverständlich zur Hauptfigur des Buches geworden ist. Entschieden tritt die Autorin allen entgegen, die Paula Modersohn-Becker gern als politische, feministische Künstlerin sehen. Bohlmann-Modersohn attestiert der Malerin „unbeugsamen Willen und festen Glauben“, jenen auf die eigene Person bezogenen Anspruch des Alles oder Nichts, der keine Halbheiten und Unwahrheiten duldete. So eindeutig Paula die Protagonistin ist, so eindeutig sind auch die Sympathien der Schreiberin. Parteinahme, gar polemische, verbietet sie sich jedoch. Reichlich genutzte Briefe und Tagebücher bringen nicht nur viele Stimmen zu Gehör. Sie verhindern auch, daß Schwächen und Stärken der Partnerschaft von Paula und Otto zugunsten einer Absicht kaschiert werden. Das Bemühen um Authentizität macht die Biographie redlich, doch allzu nüchtern. Manche Passagen lesen sich wie aus einem Künstlerkatalog entnommen. Das Buch legt man mit dem Wunsch aus der Hand, mehr über Otto Modersohn zu erfahren. Der muß wahrlich ein feiner Mensch gewesen sein.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 9/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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