Eine Annotation von Gisela Reller


Popow, Jewgeni: Wie es mit mir bergab ging

Erzählungen. Ausgewählt und aus dem Russischen übersetzt von Rosemarie Tietze.

Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M. 1997, 234S.

 

Ich glaube, Jewgeni Popow ist einer, der schreiben muß. Alles, was er erlebt, sieht, hört, kleidet er in kleine Geschichten, Erzählungen, Prosa-Skizzen. In ihnen „kommt so manches vor im Leben ...“ Manches ist schlicht formuliert, vieles kommt skurril und absurd daher. Die meisten Geschichten spielen in Sibirien, wo es kalt, aber landschaftlich weit und reizvoll ist; so hart wie die Natur ist der Menschenschlag. Aber ein „ausgeklügelter Reiseführer in ein unbekanntes Sibirien“ - wie es der Verlag formuliert -, das sind Popows Geschichten nun wirklich nicht. Sollen es auch gar nicht sein ...

Jewgeni Popow wurde 1946 im sibirischen Krasnojarsk geboren, seine Brötchen verdiente er sich in Sibirien als Geologe, heute lebt er in Moskau. Gemeinsam mit Wassili Axjonow, Andrej Bitow, Fasil Iskander und Viktor Jefremow gab er Ende der siebziger Jahre den unabhängigen Almanach „Metropol“ heraus, woraufhin er aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen wurde, in den er gerade erst aufgenommen worden war. Von ihm standen 13 Erzählungen in dem Almanach. Diese seien jenseits der Literatur, hieß es, Popow schreibe einzig und allein von „Trunksucht und geschlechtlichen Perversitäten“.

Es kommt eben so manches vor im Leben ... Auch in den 31 Geschichten dieses Buches - aus etwa zwei Jahrzehnten zusammengetragen - gibt es ebenfalls kaum eine Geschichte ohne Suff. Es saufen die Mushiks, die Arbeiter, die Intelligenzler, alle Männer, die meisten Frauen, auch die jungen Mädchen. Zwar sagte schon Wladimir der Heilige, daß im Trinken Rußlands Vergnügen bestehe, aber sollte denn nur ich durchaus nüchterne Sibirier kennengelernt haben?

Dem deutschen Lesepublikum wurde Jewgeni Popow vor diesen „abstrusen, merkwürdig schrägen Geschichten“ (Tietze) schon durch die Romane Das Herz des Patrioten, Die Wunderschönheit des Lebens und Vorabend ohne Ende bekannt.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 9/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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