Eine Annotation von Lili Hennry


Miles, Rosalind: Guenevere
Die Herrin von Camelot.

Roman. Ins Deutsche übertragen von Hedda Pänke.
Ullstein Verlag, Berlin 1999, 528 S.

 

Es gibt nur wenige Themen, die so beharrlich neu beschrieben werden wie die König-Artus-Sage. Dabei gibt es seit der unübertroffenen Avalon-Trilogie von Marion Zimmer Bradley dazu kaum noch etwas Besseres zu sagen. Jetzt hat sich Rosalind Miles daran gewagt, diese Legende unter einem neuen Blickwinkel zu beleuchten. Sie wählt dazu Guenevere (wieder mal eine neue Schreibweise), Artus’ Königin. Es ist ja nicht so, daß über Guenevere noch nie ausführlich geschrieben worden wäre. Nun gut. Diesmal ist sie also die Königin des Sommerlandes, in dem das Mutterrecht gerade noch Geltung hat, ganz im Gegensatz zum Rest der britischen Insel, wo das Christentum bereits fest verankert ist.

Aber auch das Sommerland ist kein idyllischer Hort der alten Tradition mehr. Nach dem Tod ihrer Mutter, dem „Raben der Schlacht“, einer erfahrenen Kriegerin, sieht sich die in den Kriegskünsten völlig unerfahrene und seltsamerweise auch nicht ausgebildete Guenevere veranlaßt, einen Ersten Ritter auszuwählen. Ihr schauderhaft böser Onkel Malgaunt bietet sich selbst dazu an, was sie natürlich empört zurückweist. Als die Not am größten ist, taucht plötzlich Arthur (so heißt er hier) wie ein Deus ex machina als „flammend-goldener Gott“ aus der Dunkelheit auf. Sie erwählt ihn nicht nur zu ihrem König, sondern wird auch zu seiner Herzenskönigin. Was beide nicht wissen, ist, daß Merlin, der böse Bube, diese Verwirrung ursprünglich angezettelt hatte, um Arthur von Guenevere fernzuhalten, was aber gründlich mißlang, wovon der große Zauberer nun wiederum nichts weiß. Kurz zuvor hatte Merlin Arthur noch geholfen, seine angestammten Rechte als der Sohn des verstorbenen Hochkönigs Uther geltend zu machen (der bekannte Trick mit dem Schwert im Stein), und Arthur selbst fegte dann in einem Handstreich die Statthalter-Könige seines Widersachers König Lot von den Orkneys aus seiner Burg Caerleon. So hat er also Haus und Hof und Hausfrau und einen Sohn Amir (das ist nun wirklich neu), und man vergnügt sich recht munter einige Jahre mit Turnieren. Leider werden die ewig Feiernden von den Sachsenhorden schließlich aus ihrer Beschaulichkeit gerissen. Arthur reitet mal eben schnell mit ein paar Rittern und seinem sechsjährigen Sohn in die Schlacht und kann zwar das Land im Handumdrehen befrieden, sein Kind wird jedoch auf (magisches) Geheiß seiner Halbschwester Morgane von den Sachsen ermordet. Nun geht es Schlag auf Schlag: Er verliert natürlich Gueneveres Gunst, treibt es in geistiger Verwirrung wild mit Morgane; Guenevere ihrerseits verliebt sich in Lancelot, der sie aus den Fängen von Malgaunt retten wird, und am Ende liegen sich der rechte König und seine Königin wieder in den Armen.

Hätte es die Marlitt besser schreiben können? Bestimmt, denn dieses Buch ist an Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten. Die Charaktere sind unglaubwürdig: Arthur, der einst das Reich einte und Frieden brachte, ist hier ein schwächlicher Zauderer, Guenevere eine räsonierende Möchtegern-Emanze und Merlin ein geiler alter Bösewicht. Das Schlimmste aber sind - neben den vielen psychologischen Ungereimtheiten - die historischen Fehler. Miles würfelt die Geschichte bunt durcheinander; so tauchen die im fünften Jahrhundert England heimsuchenden Sachsen während der Zeit der Kreuzzüge auf, die sechshundert Jahre später begannen. Die Schilderungen von Schlachten, Bewaffnung oder Alltagsleben sind haarsträubend. Wenn man sich schon nicht in der Geschichte auskennt, dann sollte man gänzlich im Bereich der „Fantasy“ bleiben und nicht Nachprüfbares als Grundlage wählen.

Alles in allem ein überflüssiges, gänzlich uninspiriertes Buch.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 9/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite