Eine Rezension von Hans-Rainer John


Von „Übungsobjekten“, Teddys und anderen

Dagmar Seifert: Die rosa Hälfte des Himmels

Roman.
Langen Müller, München 1999, 352 S.

 

Der Verlag kündigt einen „außergewöhnlichen Roman voller Intelligenz, Witz und Temperament“ an, der gleichzeitig komisch, ernsthaft und durch und durch lebendig sei, und er preist die Autorin (bisher: Kolumnen, Features, Märchen, Gruselgeschichten und eine Komödie für das Ohnsorg-Theater) als „eine herausragende erzählerische Neuentdeckung“. Solcherart hochgespannte Erwartungen vermag das Buch freilich nicht zu erfüllen, aber als Urlaubslektüre für Flugzeug und Eisenbahn hat es ganz sicher seine Qualitäten.

Die Autorin hat zum Beispiel eine flotte Schreibe. Da wird einem Kleinkind die Nuckelflasche eingepflockt, die Türklingel hustet, brüllt, röhrt oder dingdongt, das Telefon zwitschert, die Zigarette wird im Aschenbecher zermanscht, die Brötchen werden aufgesägt, und die Omi bleckt grinsend ihr Gebiß und atzt ihre Enkelin mit Schokoladenmilch. Aber da deutet sich auch schon an: Es ist ein absolut biederer Humor, der der Autorin die Feder führt, und das Buch bleibt weitgehend frei von Tiefe.

Und worum geht’s? Martina Conradi, 36, attraktiv, Malerin, die sich mit Illustrationen, Zeichnungen und Karikaturen mehr schlecht als recht über Wasser hält, ist wieder einmal von einem (betuchten) Liebhaber auf die Straße gesetzt worden. Ihre Ansprüche, ihre Intelligenz, ihre spitze Zunge scheinen einer dauerhaften Beziehung stets in die Quere zu kommen, sie ist einfach zu anstrengend. „Ich kann’s nicht lernen, richtig mit den Männern umzugehen.“ Da kommt im richtigen Moment eine lebenstüchtige und überaus praktische Oma (83) aus Amerika zurück und gibt gute Ratschläge. Martina übt sich nun in Gelassenheit, sieht alles mit Nachsicht und Geduld und betrachtet ihre Partner, dem großmütterlichen Ratschlag folgend, lediglich als ÜO (= Übungsobjekte). Der großen Leidenschaft begegnet sie trotzdem nicht (der eine Mann ist reich und schön, aber impotent, der andere zwar potent, aber unselbständig und arrogant u. a.), es geht auch nie gut aus, bis sie in einer Lebenskrise in einem alten lieben Freund, den sie bisher nie als Liebhaber in Erwägung gezogen hat, den Partner fürs Leben entdeckt - ein bißchen älter, aber auch weiser, ein bißchen dicklich, aber gemütlich. Oma segnet das Zeitliche, wie es ihrem Alter entspricht, nicht ohne vorher auch Martinas Freundinnen Jenny, Beate und Carla in den Auseinandersetzungen mit ihren jeweiligen Männern Beistand geleistet zu haben.

Das ist natürlich eine kleine Welt (der Horizont stets begrenzt), aber sie wird ausgeschritten. Das ist warmherzig geschrieben (die Männer freilich kommen nur in Ausnahmefällen gut weg, in der Regel ist die Sicht auf diese Spezies überaus kritisch), mit Kodderschnauze, und keineswegs beschönigend oder harmonisierend. Das Leben wird mehr von der Alltags- als von der Schokoladenseite her geschildert, und die Menschen im Grunde auch. Sie haben alle ihre Macken und Schwächen, sind meist nicht sehr wohlhabend, und schön sind nur die Frauen, sofern sie kräftig kosmetisch nachhelfen. Keine abgehobene Traumfrau also mit Ausnahmemenschen, und die Psychogramme sind ziemlich stimmig und genau. Nur der Habitus von Martina Conradi gibt manchmal Rätsel auf; wie sie mit ihrem Teddy lebt und auf die Ratschläge von Omi giert, sich auch immer wieder zu ihr flüchtet - das deutet eher auf einen Backfisch hin als auf eine reife, erfahrene Frau. Manchmal wird das Buch ein bißchen kindisch, nämlich wenn die Geschichten um Teddy Brömel, Kater Safran, Schweinchen Heidrun, Oberfliege und Oberameise und um das Zauberwort Huschel-buschel expandieren, aber die Autorin wird’s unter lustig abbuchen wollen.

Oft ist das Buch auch etwas geschwätzig, nämlich fast protokollartig ausführlich und genau. Es wird einfach alles, auch das Banalste, abgehandelt, es wird ausgesprochen, was der Autorin nur einfällt, und nichts für den Raum zwischen den Zeilen gelassen. Das allerdings ist auch bequem. Es steht alles da, der Leser muß sich nicht selbst mühen - ein Buch eben wie geschaffen für Strandkorb oder Liegestuhl!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 7+8/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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