Eine Rezension von Karl-Heinz Arnold


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 Einen Jux woll’n sie sich machen

Jürgen Alberts et al.: Die allerletzte Fahrt des Admirals
9 Autoren überführen eine Leiche.

Roman.

Ullstein Buchverlage, Berlin 1999, Gelbe Reihe, 159 S.

 

Jürgen Alberts und andere - das sind die weiteren acht Autoren Jürgen Ebertowski, Jan Eik, Wolfgang Kienast, Dorothea Kleine, -ky alias Horst Bosetzki, Gerhard Naumann, Tom Wittgen alias Ingeburg Siebenstädt und Gabriele Wolff alias Gabriele Gordon. Neun Kriminalschriftsteller, davon drei Damen, von den neun sind fünf aus Deutschland (Ost) und vier aus Deutschland (West) nach ihrem Herkommen. Sie haben einen Krimi geschrieben, den sie Roman nennen, was nichts zur Sache tut - der Witz an der Sache ist die historische Vorlage. Und der weitere Witz, dies wiederum in der besten, geistvollen Bedeutung des Wortes, zeigt sich darin, daß den Autoren ein kleiner Hattrick gelungen ist: Mit neun Geschichten in neun Handschriften haben sie ein Fortsetzungsromanchen zustande gebracht, das sich im nachhinein, also nachdem man es gelesen hat, als ein gelungenes Ganzes präsentiert.

Die Idee - so das notwendige, weil erläuternde Vorwort - wurde 1997 während des Criminale-Festivals im friesischen Jever geboren: Man wollte gemeinsam den Versuch wagen, einem 1931 in London publizierten Büchlein von 13 englischen Schreiberinnen und Schreibern - Dorothy Sayers, Agatha Christie, G. K. Chesterton und andere - zu deutscher Nachfolge zu verhelfen. Damals hieß der Titel The Floating Admiral, in deutscher Ausgabe, erst 1987, Die letzte Fahrt des Admirals. Folgerichtig konnte es sich beim Remake nur um die allerletzte Fahrt handeln. Im übrigen aber handelt es sich eben um kein Remake. Es liegt hier vielmehr ein eigenständiger Nachfolger vor.

Die Handlung spielt gegen Ende der 90er Jahre im Land Brandenburg der Bundesrepublik unter Blau- und Nichtblaublütern, sämtlich Deutschmenschen. Schon damit ist jede inhaltliche Ähnlichkeit mit dem Original so gut wie ausgeschlossen. Die deutschen Autoren distanzieren sich bewußt von der historischen Vorlage, und das ist gut so, denn den englischen Vorbildern hätten sie mit einem in England und in weiter Vergangenheit angesiedelten Kettenkrimi wohl kaum das Wasser reichen können. Es genügte, die Idee aufzugreifen. Und dabei ist ein originelles Werk entstanden, originell in des Wortes doppelter Bedeutung, eigenständig und auf besondere Weise putzig.

Die Originalität zeigt sich insbesondere darin, daß die neun keineswegs die feine englische Art der Darstellung des Stoffs und der Charaktere kopieren, sondern vor allem die Personen überzeichnen. Es wird karikiert und ein Stich ins Komische geboten. Eine bisweilen kurz vor dem Klamottigen abgebremste Komik zeigt sich in den ersten Kapiteln mehr als in den letzten, bestimmt aber insgesamt den Tenor des Ganzen. Wo die Komik weniger vordergründig aufgetragen ist, nähert sich die Darstellung dem konventionellen guten Krimi mit einem Schuß Ironie. Dadurch wird sie genießbarer, lesbarer, aber da können die Erwartungen an einen lesbaren Krimi durchaus unterschiedlich sein. Alle neun Autoren lassen Ironie und Komik speziell dem Gros der Handelnden, einer imaginären Adelssippe, angedeihen.

Im Verlauf des Geschehens reduziert sich die Überfülle der agierenden oder in die Handlung unnötig eingefügten Personen, und dies nicht nur durch Mord. Das trägt ebenfalls zur Bekömmlichkeit des Büchleins bei. Zu Anfang der Geschichte schien es dem Rezensenten, wie es die besonders gelungen gezeichnete ostdeutsche Hauptkommissarin Schmieglitz ausdrückte: „Solange wir das Personenverzeichnis nicht genau intus haben, stolpern wir mondsüchtig in der Handlung herum.“

Ach ja, die Handlung. Sie entwickelt sich nach der Beisetzung eines adligen Westmenschen auf dem wertlos gewordenen brandenburgischen Sitz seiner Sippe. Der Verblichene war Sohn eines Nazi-Admirals und wurde deswegen in der Familie „der Admiral“ genannt. Vorwort und Rücktitel des Verlages sprechen fälschlich von „der Beerdigung eines adligen Admirals“. Auch hier der Jux, den die Autoren sich machen - es handelt sich nicht mal um einen richtigen Befehlshaber zur See, sondern nur um einen mickrigen ehemaligen Marineoffizier, dem man einen Spitznamen angehängt hat. Der Admiral ist ebensowenig echt wie der Schatz, nach dem eifrig gesucht wird. Und wie es sich für einen Jux gehört, ist auch die Stasi noch halbwegs präsent, vertreten durch die Spiogenten-Hauptverwaltung Aufklärung und ihren vorletzten Chef, der hier nicht Markus Wolf heißt, sondern Lukas Rolff (und nicht persönlich auf der Bildfläche erscheint). Eine angenehme Art, ein Jahrzehnt nach dem Ende von Stasi und Nasi das MfS mal auf die ironische leichte Schulter zu nehmen.

Es konnte kaum ausbleiben, daß die unterschiedlichen Autoren an einer jeweils unterschiedlichen Schreibart erkennbar sind. Dennoch ist es erstaunlich, wie sie die Handlung letztlich homogen weiterspinnen, so daß der Eindruck einer Geschichte entsteht, die kein Stückwerk ist. Und man gewinnt den Eindruck, daß alle neune beim Schreiben Spaß gehabt, sich sogar eins gefeixt haben. Man darf dem Buch freundliche Aufnahme wünschen und einen bescheidenen oder unbescheidenen, jedenfalls eigenständigen Platz in der Geschichte der Kriminalliteratur.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 7+8/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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