Eine Rezension von Wolfgang Buth


„Berlin - wie haste dir verändert!“

Berlin

GEO special Nr. 1/Februar 1999.
Gruner + Jahr, Hamburg 1999, 232 S. + Poster

 

Die Redaktion von GEO special erfreut die geographisch Interessierten alle zwei Monate mit einem neuen, speziellen Heft. Diese sind entweder einer bestimmten Stadt (z. B. Nr. 1/98: London), einem bestimmten Land (z. B. Nr. 2/98: Türkei) oder beliebten Reiseregionen (z. B. Nr. 3/98: Ostsee; Nr. 5/98: Kanarische Inseln) gewidmet. Die 100. Jubiläums-Ausgabe heißt Berlin.

Es war gewiß ein schwieriges Unterfangen, jetzt ein Heft über Berlin, diese Stadt des Umbruchs, des Werdens zu erarbeiten. Aber es ist schließlich gelungen. Die Einzelbeiträge fügen sich zu seinem bunten Mosaik zusammen, das die Baustelle und Hauptstadt Berlin von den verschiedensten Seiten zeigt.

Der Beitrag „Schaut auf diese Stadt!“ berichtet über den Potsdamer Platz, der mehr als 40Jahre lang, nach Krieg, Feuersturm, Mauer und Abrißwahn, ödes Niemandsland zwischen Ost und West war. Nun lebt dieser Ort auf und soll an die traditionsreiche Vergangenheit anknüpfen - laut, lärmend und lebendig. In einer beeindruckenden Fotoreportage hat der Fotograf Pierre Adenis die spektakuläre Verwandlung des Brachlands in eine Stadt der Zukunft verfolgt - vom ersten Spatenstich bis zur großen Einweihungsparty im Oktober 1998 auf dem Marlene-Dietrich-Platz.

„Die Welt ist ein Bierglas“ - in diesem Beitrag haben Harald Martenstein (Text) und Maurice Weiss (Fotos) einen nächtlichen Bummel durch Berliner Kneipen unternommen, sehr gut beobachtet.

„Von Menschen und Mauern“ - auf mauergrau eingefärbtem Papier hat Arno Luik Reportagen zusammengestellt von Menschen, als der östliche Teil Berlins (noch) Hauptstadt der DDR war.

„Stadt - Land - Fluß“ sind drei eigenwillige Liebeserklärungen von Ilja Richter (Schauspieler und Autor), Artur Brauner (Filmproduzent) und Moritz Rinke (Dramatiker) über die am Wasser gebaute Stadt.

Buddhisten am Brandenburger Tor und auf dem Gendarmenmarkt, Sufis in Wilmersdorf und Sikhs im Bezirk Mitte - Berlin ist ein Basar der Religionen, ein babylonisches Tohuwabohu an Sprachen und Bekenntnissen, heiter, lebensnah, bunt und verwirrend. Einfühlsam und offen gingen Walter Saller (Text) und Gerhard Westrich (Fotos) auf eine religiöse Expedition in ein unbekanntes, oft verschlossenes Berlin.

„Berlin - mon amour.“ In dieser Liebeserklärung des Franzosen Jack Lang, des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses der französischen Nationalversammlung, steckt viel Kenntnis und (wie könnte es anders sein) Liebe: „Paris bleibt Paris, sagt man, aber Berlin bleibt nie Berlin, so ungreifbar, flüchtig ist diese Schöne. Für mich ist Berlin eine geheimnisvolle Frau, ein Irrlicht, ein Wunder, das die Sinne erregt, den Verstand reizt.“

Für die Kulturstadt Berlin stehen drei unterschiedliche Beiträge. „Die störrische Quadriga“ schildert sachlich die Theaterwelt; insbesondere das Berliner Ensemble, die Schaubühne, die Volksbühne und das Deutsche Theater stehen hier im Mittelpunkt. „Fantasien“ - das ist die skurri le, fast verrückte Schilderung der Welt der Mode, der Szene, der Talente - die Welt der jungen Musiker, Schauspieler, Tänzer und Literaten. „Der Schnee der Zwanziger“ ist ein meisterhaftes Kultur-Essay über die Kokainsucht im Berlin der 20er Jahre mit eindrucksvollen Bildern von Otto Dix und George Grosz und Fotos des skandalumwitterten Stars Anita Berber. Die etwas nostalgisch-verruchte Darstellung zeigt, wie Berlin einmal war. Und schließlich gibt es noch einen vierten kulturellen Beitrag, nicht im Heft, sondern leider fast unbeachtet auf der Rückseite des Berlin-Posters, eine spezielle GEO-Route: „Berlin - die Filmstadt“. Zwischen Zoo und Alex haben sie ihre Spuren hinterlassen - Billy Wilder, Marlene Dietrich, Ernst Lubitsch. Junge Filmemacher entdecken nun den irritierenden Charme der Stadt, und sie möchten es den Klassikern nachtun ... Der filminteressierte Leser macht auf dem beigefügten (Film-)Stadtplan eine Entdeckungsreise durch 35 Stationen Berliner Filmgeschichte.

Wie alle Hefte von GEO special enthält auch dieses Berlin einen praktischen Führer (Guide) durch Berlin. Besucher und Ur-Einwohner der Stadt erfahren viel Wissenswertes: Hotels, Gaststätten mit Kurzcharakteristiken und Preisen, Theater, Museen, Galerien, Einkaufsstätten, Architektur- und andere Themenspaziergänge.

Das große Poster „Berlin - die neue Mitte“ ist eine anschauliche und informative Panorama-Landkarte vom innerstädtischen Gebiet; sie reicht von der Siegessäule bis zum Alex und vom Humboldthafen bis zum U-Bahnhof Mendelssohn-Bartholdy-Park (im Beitrag S.91/92 vergessen). In komprimierter Form enthält sie alles Wesentliche, Farbsignaturen kennzeichnen die verschiedenen Objekte.

Insgesamt ein informatives Heft mit interessanten Beiträgen, meisterhaften Fotos und mit vielen kleinen, liebevoll zusammengestellten Informationen, Kuriositäten, Anekdoten, Gedichten, Aussprüchen von Dichtern und Politikern.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 7+8/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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