Eine Annotation von Eberhard Fromm


Trepte, Elisabeth (Hrsg.):

Wieland Herzfelde
Zum Klagen hatt’ ich nie Talent

agimos verlag, Kiel 1996, 156 S.

 

Dies ist ein besonderes Buch. Es sind Erinnerungen des Verlegers und Schriftstellers Wieland Herzfelde (1896-1988), aufgeschrieben von Elisabeth Trepte (* 1920), die seit 1970 für ihn arbeitete und sich um ihn sorgte. Immer, wenn Herzfelde über sein Leben sprach, hat Elisabeth Trepte diese Erzählungen notiert. So reihen sich Erinnerungen, Anekdoten, Ernstes und Heiteres aneinander. Man kann das weder so lesen wie eine Biographie noch wie einen Memoirenband. Man hat als Leser vielmehr das Gefühl, zu Gast bei Herzfelde zu sein und ihm beim Erzählen zuzuhören. Die vielen Bilder, Zeichnungen und Fotografien unterstützen noch diesen Eindruck. Man schaut auf das Bild, macht eine Pause, denkt über das Gehörte (Gelesene) nach.

Die inhaltlichen Schwerpunkte sind mit Kindheit & Jugend, MALIK-Marginalien, Exil - In der Not gehandelt, Kunst & Literatur und Aphorismen & Gedankensplitter überschrieben. Man muß dieser Ordnung aber nicht folgen. Ich würde jedem Leser empfehlen, mit der Erinnerung von Heinz Knobloch: „Wie wir Wieland zu Grabe trugen“ (S.127ff.), zu beginnen. Auf sehr persönliche Art wird man hier mit einem Mann bekannt gemacht, von dem so mancher gar nichts weiß oder höchstens, daß er der Bruder von John Heartfield war oder daß er den Malik-Verlag begründet hat oder daß er Berliner Ehrenbürger ist. Knobloch macht uns mit dem Menschen Herzfelde vertraut - mit wenigen, aber treffenden Strichen.

Wieland Herzfelde stand sein ganzes Leben links; seit ihrer Gründung im Dezember 1918 gehörte er der KPD an. Gerade deshalb sind seine Bemerkungen über Gesinnungsgenossen und Sympathisanten so interessant. Sie belegen eine unkonventionelle Sicht auf den Menschen, frei von ideologischen Vorurteilen. Recht deutlich fällt sein Urteil über Käthe Kollwitz aus: „Sie hat nie etwas getan für die Unterdrückten, sie hat sie nur bedauert, und das hat sie dann gezeichnet.“ Von Bertolt Brecht heißt es, „daß er kaum Humor hatte, wenn es ihn selbst betraf“, und über Gorki, daß seine Tuberkulose nur ein plausibler Vorwand war, um der Sowjetunion fernzubleiben.

In den wenigen Erinnerungen an das politische Leben in der DDR finden sich klare Positionen; so, als er über seinen Parteiausschluß und die Wiederaufnahme erzählt und deutlich macht, daß er eine ihm angebotene Biographie zu Johannes R. Becher nicht geschrieben hat, weil er nicht alles schreiben durfte, aber nicht lügen und verschweigen wollte. Und mit Bedauern stellt er an anderer Stelle fest, daß die Partei, zu der er sich bekennt, „die zwischenmenschlichen Beziehungen völlig zerstört“ habe.

Seine Aphorismen zur Literatur ähneln den scharfen Aussagen eines Lichtenberg. Überhaupt sind die hier abgedruckten Aphorismen besonders aufschlußreich für das Denken dieses Mannes, der von sich selbst sagte: „Ich bin einer der letzten Fühler des 19. Jahrhunderts ins 20. Jahrhundert“, und der wohl doch vor allem ein vielseitiger Zeitzeuge unseres zu Ende gehenden Jahrhunderts ist.

Dies ist ein schönes Buch, auch weil es so locker gestaltet wurde und dem Leser auf ganz unaufdringliche Art und Weise einen interessanten Menschen unserer Zeit nahe bringt, so daß man ihn nicht so schnell vergißt.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 7+8/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite