Eine Rezension von Eberhard Fromm


„Ich mache diesen Job gerne.“

Gerhard Schröder: Und weil wir unser Land verbessern ...
26 Briefe für ein modernes Deutschland.

Hoffmann und Campe, Hamburg 1998, 220 S.

 

Als dieses Buch verfaßt wurde und erschien, war Gerhard Schröder noch nicht Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Aber es ist mit der erklärten Absicht geschrieben, als Wahlsieger über die CDU und damit als Bundeskanzler aus der Bundestagswahl 1998 hervorzugehen. Es werden fünfzehn Themen behandelt, verfaßt an 26 reale Adressaten, die vom ostdeutschen Erstwähler bis zum etablierten Schriftsteller, von der Berufsanfängerin bis zum früheren Bundespräsidenten, vom Arbeitgeberpräsidenten bis zum auswärtigen Staatsmann reichen. Die Themen bewegen sich zwischen Kunst, Außenpolitik und Medien, Jugend und Renten, Ausländerproblematik, Europa und Staat. Während die meisten Themenbereiche in einem Brief abgearbeitet werden, sind es beim Komplex Arbeit fünf, bei der Ökologie vier und beim Thema Ost und West drei Briefe. Damit sind auch die Schwerpunkte in diesem breitgefächerten Spektrum gesetzt.

Schröder schreibt diese Briefe so, wie man ihn aus seinen Reden kennt. Er kommt schnell zur Sache, vermeidet Phrasen, liebt die Zuspitzung, argumentiert mit allgemeinen Einsichten, seinen politischen Erfahrungen als niedersächsischer Ministerpräsident, aber auch immer wieder mit sehr persönlichen Erinnerungen und Beispielen aus seinem Leben. Und er macht sich die Mühe, den jeweiligen Adressaten sehr konkret und in unterschiedlicher Weise anzusprechen. Daß sich die Briefe an den ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Shimon Peres und an den englischen Thrillerautoren Frederick Forsyth deutlich unterscheiden, ist nicht verwunderlich. Aber auch die Schreiben an den namhaften Soziologen Ulrich Beck und die derzeit arbeitslose Akademikerin Martina Groß sprechen verschiedene Sprachen. Und, daß der Humor oder eine flotte Polemik nicht zu kurz kommen, belegen solche Briefe wie die an die Chefredakteurin des „Feinschmecker“, Madeleine Jakits, mit dem beziehungsvollen Titel „Es muß nicht immer Saumagen sein“ oder an den Journalisten Heribert Prantl von der „Süddeutschen Zeitung“, wo es um die Rolle des Politikers in den Medien geht.

Einleitend bekennt der Politiker Schröder vorbehaltlos: „Ich mache diesen Job gern.“ Das ist unter deutschen Politikern ziemlich unüblich, wo man viel häufiger ein angeblich bloßes Pflichtbewußtsein betont oder ein gequältes Gesicht zur Schau trägt. Immer wieder weist der Autor auf die Verpflichtung zu sozialer Gerechtigkeit hin und hebt hervor - so in dem Brief an Arbeitgeberpräsident Hundt -, daß der Erfolg der sozialen Marktwirtschaft darin besteht, daß sie auf dem Prinzip der Teilhabegesellschaft und nicht auf einer Verzichtsethik beruhe. Mit einem gewissen Vergnügen liest man heute die Ratschläge, die Schröder in diesem Buch seinem jetzigen Koalitionspartner und Außenminister Joschka Fischer erteilt (vgl. S. 85ff.). Nachdenklich verfolgt man dagegen die Argumente, die der Autor in einem Brief an einen jungen DVU-Wähler aus Sachsen-Anhalt - übrigens der einzige veränderte Name im Buch - gegen den Rechtsextremismus anführt. Und man stimmt Schröder ohne Abstriche zu, wenn er mit etwas Wehmut im Brief an Günter Grass daran erinnert, daß der für Willy Brandts Zeiten noch selbstverständliche Dialog zwischen Politikern, Künstlern und Intellektuellen völlig zum Erliegen gekommen sei.

In jedem der Briefe kommt auf eine andere Art das Demokratieverständnis des Sozialdemokraten Schröder zum Ausdruck. Das beginnt mit der Ansicht, daß in der Demokratie die Macht immer nur geliehene Macht darstelle (vgl. S. 13); daß man innere Sicherheit nicht erzwingen kann, sondern inneren Frieden herstellen müsse (vgl. S. 79); daß man in der Demokratie die Menschen für die Demokratie gewinnen müsse und sie nicht unterwerfen darf (vgl. 110) und daß Solidarität kein angestaubtes Schlagwort der Arbeiterbewegung sei, „sondern ein Prinzip, ohne das Modernisierung in unserer Gesellschaft nicht klappen kann - jedenfalls nicht auf menschliche Art und Weise“.

Als Gerhard Schröder dieses Buch schrieb, war er noch kein Bundeskanzler. Man kann gespannt sein, wie die nächsten Arbeiten des Politikers aussehen werden, wenn sie aus der Sicht des Regierungschefs oder eines „Alt-Bundeskanzlers“ geschrieben worden sind.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 6/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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