Eine Rezension von Roland Lampe


Eine Fülle an Material

Lew Hohmann/Johannes Unger:

Die Brandenburger: Chronik eines Landes
Begleitbuch zur TV-Reihe mit Kurt Böwe.

be.bra-Verlag, Berlin 1998, 239 S.

 

Muß man die gleichnamige siebenteilige Dokumentationsreihe im ORB gesehen haben, um mit diesem Buch etwas anfangen zu können? Muß man andererseits dieses Buch gelesen haben, um von der Dokumentation über die bloße Fernsehunterhaltung hinaus einen Gewinn zu haben?

Sicherlich sind beide nicht voneinander zu trennen und ergänzen einander, aber Fernsehen ist Fernsehen, und Buch ist Buch, jedes muß also auch für sich bestehen und zur Diskussion gestellt werden dürfen.

Wie die TV-Reihe ist das Buch in sieben Teile bzw. Kapitel gegliedert. Sie umfassen mehr oder minder große Zeiträume (928-1411 das erste Kapitel und 1945 bis 1990 das letzte Kapitel).

Innerhalb der einzelnen Kapitel wird dann in Unterkapiteln, die jeweils ein oder zwei Seiten umfassen, auf einzelne Persönlichkeiten, Orte oder Ereignisse der Geschichte eingegangen, die mittelbar oder unmittelbar mit Brandenburg (einem im Laufe der Geschichte nicht nur geographisch dehnbaren Begriff) zu tun haben. Die Überschriften der Unterkapitel lauten zum Beispiel „Der 17. Juni“, „Kollektivierung und Beton“ und „Neulehrer und Spatensoldaten“ (Zeitraum von 1945-1990; mit dem Jahr 1990 endet auch das Buch).

Ergänzt und bereichert wird das Ganze durch ein Vorwort von Hansjürgen Rosenbauer, dem Intendanten des ORB, durch ein Gespräch mit dem Brandenburg-Prignitzer Kurt Böwe, der ja durch die TV-Dokumentation geführt hat (und dort mediengemäß eine wesentlich wichtigere Rolle spielte als im Buch), durch ein Kapitel „Böwes Brandenburg“, ein Porträt des Schauspielers von Johannes Unger, und nicht zuletzt durch einen umfangreichen Anhang inklusive Literatur- und Quellenangaben.

An der langen Literaturliste sieht man bereits, daß diesem Buch (und damit natürlich auch der Fernsehreihe) eine immense Fleißarbeit zugrunde liegt. Wenn man bedenkt, daß lange Zeit keine Brandenburgische Geschichtsschreibung stattgefunden hat (ja, daß das Land 1952 von der Landkarte verschwunden ist), dann gebührt allein der Tatsache Anerkennung, daß hier ein Neuansatz in Form einer umfassenden Darstellung gewagt wurde. Eine Fülle an Material, das gesichtet und geordnet wurde und aus dem schließlich wieder ausgewählt werden mußte.

Wie kann ein Land, ein Bundesland auch, seine Gegenwart bewältigen, seine Zukunft gestalten, ohne seine Vergangenheit zu kennen?

Nun ist die Strukturierung von geschichtlichen Abläufen, das Aufzählen von Daten und Ereignissen nur die eine Seite. Die andere ist, ob das nicht nur lehrreich und informativ, sondern auch spannend und unterhaltsam im besten Sinne geschehen ist. (Über die Frage, wie man Geschichte auch einem breiteren Publikum näherbringt, ohne daß es schnell müde wird, streiten sich ja die Gelehrten, seit es Geschichtsschreibung gibt, und nicht nur die, sondern auch Pädagogen, Journalisten, Künstler. Es gibt den historischen Roman, das streng wissenschaftliche Werk usw.)

Lew Hohmann und Johannes Unger haben mit ihrem Buch auch nicht die ideale Lösung gefunden; wer will es ihnen verdenken. Über weite Strecken liest sich ihr Text wie ein durchschnittlich interessantes Schulbuch, es gelingt ihnen nicht, sich von den vielen Fakten zu lösen, dadurch wirkt ihr Stil trocken. Nur ein Beispiel aus dem Unterkapitel „Das Land Brandenburg verschwindet von der Landkarte“: „Begründet mit dem von der SED beschlossenen ,Aufbau des Sozialismus in der DDR‘ zerstückelt die zentralistische Verwaltungsreform der DDR alle Länder. Ziel ist die Beseitigung der Reste von eigenständiger Landespolitik samt ihrer Organe, deren oberste Verfügungsgewalt an SED-Bezirksleitungen übergeht, die faktisch den neu gebildeten Bezirkstagen und Räten der Bezirke gegenüber weisungsberechtigt sind.“

Puh, erst einmal Luft holen. Es empfiehlt sich, das Buch nicht in einem Zug zu lesen, sondern darin zu blättern, Unterkapitel für Unterkapitel zu lesen, vielleicht sich zwischendurch immer mal wieder einzelne Teile der TV-Dokumentation anzusehen.

Zum Glück ist der Text aufgelockert durch zahlreiche Abbildungen von Fotos, Gemälden, Urkunden, Plakaten usw., durch Statistiken und Zitate. Die schwarzweißen Vorlagen werden im Buch sehr gut reproduziert, gewinnen teilweise sogar, die farbigen dagegen, insbesondere die Fotos, wirken oft verwaschen. Liegt das an dem schneeweißen, glänzenden Papier?

Fazit aber: Mit diesem Buch ist den Autoren eine umfassende Darstellung der Geschichte Brandenburgs gelungen, die erstens auf dem fast neuesten Stand ist und zweitens das breite Publikum anspricht. Das ist kein geringes Verdienst, darauf kann man aufbauen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 6/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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