Eine Rezension von Bernd Heimberger


Suche nach Substanz

Werner Hofmann: Wie deutsch ist die deutsche Kunst

Eine Streitschrift.

E. A. Seemann Verlag, Leipzig 1999, 108 S.

 

Werner Hofmann ist im Alter der Höflichkeit. Kündigt der 1928 geborene Kunstfreund und -förderer „Eine Streitschrift“ an, dann nicht als Kommunarde, der den Kampf auf der Straße austrägt. Zuletzt im Amt des Direktors der Hamburger Kunsthalle, ist Hofmann ein erfahrener und ambitionierter Didaktiker. Als der ist er Überzeugungs-Täter und wirft nicht aus purer Provokation die Frage auf: Wie deutsch ist die deutsche Kunst? Nicht das drängendste Thema der Tage, drängte es sich dem Fachmann auf, seit die übriggebliebenen deutschen Nachkriegsteile zusammengeknetet wurden. Peinlich-Polemisches war zu Beginn des Zusammenseins zu hören. Kräftige Stimmen tönten laut, um die Kunst der DDR aus der Kunstgeschichte zu verbannen. Daß Kunst in der DDR, handwerklich wie inhaltlich, in Deutschland gewachsenen künstlerischen Traditionen eher anhing als die Kunst der Bundesrepublik, wußten alle, die DDR-Kunst immer beachteten und nicht nur nach dem Hörensagen beurteilten. In das flache Gewässer ost-west-deutscher Dispute der frühen Neunziger will Hofmann nicht zurück. Er taucht tiefer und berücksichtigt kaum, was an Gegensätzlichem oder Gemeinsamem in beiden deutschen Staaten war. Magere drei, vier Seiten müssen genügen. Dennoch kommt nicht das Gefühl auf, daß der „Streiter“ Wesentliches verschenkte. Bleibt also vorerst das apodiktische Wort des Günter Grass: „In der DDR wird deutscher gemalt.“ Das verstehe, wer kann! Das besser zu verstehen ist, wenn der Exkurs des Experten gelesen ist? Das zu erwarten heißt, zuviel zu erwarten. Kein Pamphletist, ist Hofmann schon gar kein Propagandist. Auf die selbstgestellte Frage zu antworten bedeutet für ihn, als bildender Aufklärer zu agieren. Vom professoralen Katheder herab verkündet er wiederholt: „Nationen malen keine Bilder.“ Damit haben wir die Malaise! Was bleibt an Deutschem für Deutschland von deutschen Künstlern? Werner Hofmann sagt: „Es wird zu zeigen sein, daß spezifisch Deutsches nur dann in der Kunst namhaft gemacht werden kann, wenn bestimmte gesellschaftliche Inhalte das Bezugsfeld bilden und zur Wahl stehen.“ Der Autor wird nicht müde, in seinen seminaristischen Ausführungen Aspekte zu addieren, die diese Äußerung nicht nur igendeine Äußerung sein lassen. Um Hofmanns Argumenten folgen zu können, darf keine Passage der Schrift verpaßt werden. Das ist die eigentliche Zumutung für die Leser. Schlechter verdaulich als das Thema ist die Schrift-Sprache des Professors. Die Sucht zu Substantiven und Substantivverbindungen macht die Darstellung tief, dunkel, philosophisch - also deutsch? -, der Heiterkeit, Lockerheit, Sinnlichkeit sehr zu wünschen gewesen wäre.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 6/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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