Eine Rezension von Sven Sagé


Holz - nicht hölzern

Angelika Förster: Paul Holz. Zeichner

Hinstorff Verlag, Rostock 1998, 326 S.

 

„Zur Historie der Holzschen Zeichnungen äußert sich Angelika Förster mit ihren Nachbemerkungen. Sie tragen dazu bei, daß die Neugier auf den ganzen Holz wächst. Wer stillt die nun?“ Natürlich Angelika Förster. Keine Frage. Die Frage hatte ich anläßlich der Herausgabe von Dostojewskis Aufzeichnungen aus dem Totenhaus gestellt. Das Buch war „Mit Federzeichnungen von Paul Holz“ ausgestattet und den Worten von A. Förster zum Zeichner und den Zeichnungen. Das war 1987. In der DDR wurde der Zeichner Gerhard Kettner gefeiert, in der Bundesrepublik Horst Janssen. - Paul Holz? Der war was für Entdecker, die Kubin kannten, ihre Kollwitz und den Barlach. Ihr Zeitgenosse war der im mecklenburg-vorpommerschen Riesenbrück geborene Paul Holz. Gerade 54jährig, starb er in Schleswig. Ein Nord-Ost-Deutscher also, dem Stettin und Breslau wesentliche Lebensorte waren. Was immer das sagt! Zum Beispiel auch, daß er ein Karger, Konzentrierter, Konsequenter war. Als Mensch? Als Zeichner mit Sicherheit. Über Lebens- und Arbeitsstil des Künstlers, der, als Lehrer, „nach außen einem geregelten Beamtendasein nachging“, sagt Angelika Förster, daß sein „wahres Leben das einsame Gegenüber mit seinen Zeichnungen war, das seiner Frau, ebenso wie den meisten Außenstehenden, verborgen blieb“. Das ist eine der hauptsächlichen, auch Vermutungen zulassenden Bemerkungen zur Biographie. Solche Äußerungen leistet sich die Autorin wiederholt, obwohl ihr generell an einer genauen Führung durch die Lebenschronik des Zeichners liegt. Die Holz-Lebens-Werk-Chronik zu schreiben bedeutete für Förster, Jahre über Jahre zu sehen, zu sichten und sämtlichen Lebenssituationen nachzuspüren. Sich von der Fülle der Fakten, dem Konvolut der Kunst nicht erdrücken zu lassen, hieß, Leben und Lebenshaltung in ihrer Korrespondenz im Bezug zur Zeit- und Kunstgeschichte zu betrachten und zu beurteilen. Die Verknüpfung sämtlicher Aspekte macht die Holz-Monographie der Angelika Förster nicht nur zur ersten, es macht sie zu einer grundsätzlichen. Weshalb der Künstler auf den Nachruhm so lange warten mußte? Die Autorin lobt „die Meisterschaft aus der Beschränkung...als auch der Schönheit der Fülle“. Nicht nur sie lobt. Sie geizt auch nicht mit Zitaten, die Hymnen auf den Zeichner sind. Vier Jahre vor seinem Tode urteilte er zaghaft über die Zeichnungen: „Ich weiß nicht, ob sie was wert sind oder nicht. Doch liegen in ihnen alle Freuden und all Erschütterungen meines Lebens.“ Förster, die ihren Holz liebt, verrennt sich in keine heftige Verteidigung. Lakonisch stellt sie fest: „Das Werk von Paul Holz zählt zum Bedeutendsten, was die deutsche Zeichenkunst der ersten Hälfte unseres Jahrhundert vorweisen kann.“ Zum Glück äußert sich die Autorin selten so hölzern. Detailliert und differenziert schildert sie, wie das Bedeutendste allmählich wuchs. Seite für Seite wachsen Lesern wie Betrachtern Zeichner und Zeichnungen ans Herz, die „Auf Denkende, Gefühlsreiche...solche gewaltige Wirkung ausüben“, wie Lea Holz fast ein Jahrzehnt nach dem Tode ihres Mannes notierte. Zu den Denkenden und Gefühlsreichen spricht Angelika Förster. Sie sind’s, die das Paul-Holz-Buch reich beschenkt - auf Lebenszeit!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 6/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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