Eine Rezension von Jan Eik


Räuberpistole mit eingerostetem Lauf

Sebastian Knauer: Die Recherche

Roman.

Eichborn Verlag, Frankfurt/M. 1999, 270 S.

 

Wenn ein Buch Die Recherche heißt und mit einem ganz offensichtlich nicht einmal ansatzweise recherchierten Prolog beginnt, in dem sich der Autor seinen eher kindlichen Vorstellungen von der Sicherheit im einstigen Staatssicherheitsdienst der DDR hingibt, ist Vorsicht angebracht. Und richtig: Auch auf den restlichen 260 Seiten des Romans geht es so zu, wie es sich ein Journalist eben ausdenkt, der sich für einen Romanautor hält.

Sebastian Knauer, 1949 geboren, hat beim „Stern“ gearbeitet und ist seit 1988 politischer Redakteur beim „SPIEGEL“. Nach der Lektüre seines Romans mit dem aufschlußreichen Titel muß ich dem Hamburger Nachrichtenmagazin - im Buch als „Republik“ getarnt und in Berlin ansässig - und seinen Recherchen noch tiefer mißtrauen, als ich es bisher tat.

Der Plot des Buches ist leicht erzählt: Der Kanzlerkandidat der bevorstehenden Bundestagswahl hat sich in jungen Jahren mit der Stasi eingelassen und mit einer ihrer Prostituierten eine Tochter gezeugt. Jetzt muß er die Aufdeckung der Affäre fürchten - und verhindern. Dazu kommt allerlei Schnickschnack über versteckte Jugendstilmöbel und umgebrachte Spezialisten für chemische Kampfstoffe, CIA und alte Stasi-Seilschaften agieren in munterer Kolportage, der erfolgreiche Journalist Heidmann und ein nicht weniger erfolgreicher Privatdetektiv finden beinahe mühelos alles heraus. Nicht einmal der billige Schluß birgt für den Leser, wenn er denn so lange ohne jede Spannung ausgehalten hat, eine Überraschung.

Dennoch: Die Story könnte unter den Händen eines guten Regisseurs möglicherweise als witzige Satire verfilmt werden, doch unglücklicherweise meint es Knauer bier-, vielmehr weinernst. Wir befinden uns in gehobenen Journalistenkreisen, und so liest sich das Buch stellenweise wie ein wichtigtuerischer Restaurantführer. Die eigentliche Recherche verliert sich zwischen weiten Reisen, opulenten Mahlzeiten und ausgesuchten Getränken. Und selbstverständlich sind auch die Frauen, soweit sie nicht als blasse Vorzimmerschnecken nach des berühmten Journalisten Heidmann Flirtworten lechzen, von ausgesuchter Auffälligkeit: „Die hochgewachsene Endzwanzigerin mit den vollen schwarzen Haaren stellte gleich bei der Programmvorstellung am Flughafen zielstrebig Fragen.“ Womit man eine Vorstellung vom eindrucksvoll hölzernen Sprachduktus des Autors erhält. Eine besonders attraktive Amerikanerin hat einen Leberfleck auf der Wange sowie ein braunes und ein grünes Auge, wodurch sie nicht nur als Geheimdienstmitarbeiterin prädestiniert, sondern auch auf mehrere tausend Kilometer Entfernung zu identifizieren ist. Na so ein Zufall. Der nämlich spielt bei Knauer und seinem Alter ego Heidmann allemal eine vordringliche Rolle, um die Handlungsstränge zwar nicht kunstvoll zu schürzen, sondern eher mit oberflächlicher Gewalt zu verknoten.

Über vieles kann man nur staunen. Nicht etwa darüber, daß der langjährige „SPIEGEL“-Redakteur brav alle einschlägigen Vorurteile und Klischees über den ehemaligen Ostblock und die DDR abarbeitet („Der Detektiv hatte ihn, dessen Kleidungsstück in den unverwechselbaren Farben der ehemaligen Freien Deutschen Jugend strahlte ... sofort erkannt“ - denn so sehen Dresdner Kunsthändler bekanntlich alle aus), nein, eher darüber, daß sein selbstbewußter Kanzlerkandidat bereits beim zweiten Besuch in Ostberlin zielstrebig (eines von Knauers Lieblingswörtern) ein Taxi nach Strausberg ordert, während der Autor bis heute nicht einmal weiß, wie der Ort richtig geschrieben wird. Oder daß (Recherche?) Dresden bereits 1944 im Feuersturm unterging und die Kanzler-Kindesmutter ihre Existenz dem Wunder der Fernzeugung verdankt: „Geboren 1945, wuchs sie in einem sozialistischen Haushalt auf. Ihr Vater war gelernter Bäckermeister, der aus dem Krieg an der afrikanischen Front bei den Truppen des Generalfeldmarschalls Rommel (die bekanntlich im Mai 1943 kapitulierten! J.E.) nicht zurückgekehrt war.“ Doch wie heißt es so schön bei Knauer: „Die Details müssen Sie meine Mutter fragen...“ (S. 23) Bei ihm liegt ein jüdischer Friedhof in Berlin in der Greifswalder Straße, und der Weg vom Alex zur S-Bahn führt über die Baustelle am Palast der Republik.

Was den renommierten Eichborn Verlag, in dem u.a. auch der Glauser-Preisträger 1998 erschien, wo man also weiß, wie gute Krimis oder Thriller aussehen, zur Veröffentlichung dieses Buches veranlaßt hat, das alle Kennzeichen einer dürftigen Anfängerarbeit bietet, ist schwer zu verstehen. „Klingt wie eine Räuberpistole mit eingerostetem Lauf“, sagt Heidmann auf Seite 17. Dem ist nichts hinzuzufügen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 6/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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