Eine Rezension von Licita Geppert


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Künstlerpech für einen Mörder

 

Jan Eik: Ausschreibung für einen Mord
Ein Architektenkrimi.

avedition, Stuttgart 1998, 203 S.

 

 

Der Krimi kommt sonderbar daher: Zwar ist der Einband in den etablierten Krimifarben Schwarz und Gelb gehalten, aber das schmale, hohe Format und der feste Einband verwundern. Das Buch liegt gut in der Hand, wie ein Kunstband, ist aber leider für die genretypische Mitnahme für unterwegs eher ungeeignet. Vielleicht haben Architekten ja andere Lesegewohnheiten (und sie fahren sowieso meist Auto), dennoch sollte der Verlag sich fragen, ob nicht durch die Aufmachung unerfüllbare Ansprüche geweckt werden und der Leserkreis unnötig beschränkt wird. Immerhin hat sich hier ein Architekturverlag einen Krimi bestellt und mit Jan Eik zum Einstand auch einen guten Griff getan.

Der Krimi ist so solide, wie ein Haus es sein sollte, ohne große Schnörkel, aber gut durchdacht und mit einigen skurrilen Einfällen verdichtet. Eik hat mit offensichtlichem Vergnügen in der Architekturszene recherchiert und eine realitätsnahe Handlung daraus entwickelt, auch wenn der Beginn spektakulär ist. Ausgangspunkt ist die Entdeckung einer Leiche im Fundament eines zukünftigen Regierungsbaus. Dies kennt man üblicherweise nur aus Mafia-Thrillern, wenn Leichen dauerhaft verschwinden sollen. Diese Leiche aber sollte, wie sich ganz zum Schluß herausstellen wird, gar nicht verschwinden! Daß sie bereits beim Betongießen gefunden wird, ist sozusagen ein Betriebsunfall, Künstlerpech für den Mörder eben. Für das renommierte Berliner Architekturbüro Planckh & Heppener, das für den Bau verantwortlich zeichnet, ist es jedoch eine kleine Katastrophe. Darum engagiert der alte Planckh auch den befreundeten Oliver John, einst abgebrochener Architekturstudent und nunmehr Privatdetektiv aus Beschäftigungsdrang, denn - der Autor stellt hier das gängige Klischee wohltuend auf den Kopf - er ist recht gut betucht. John soll den Fall möglichst an der Polizei vorbei aufklären. Planckh vermutet nicht zu Unrecht dunkle Machenschaften der Konkurrenz und schleust O. J. als Undercover-Agent in sein Büro ein. O. J. ermittelt tapfer, kommt allerdings nur sehr langsam voran und stellt sich manches Mal etwas ungeschickt an. So ist spätestens nach einigen Tagen allen Mitarbeitern klar, daß hier verdeckte Ermittlungen gegen sie laufen. In dieser Zeit beginnen wir nicht nur O. J., seine liebenswürdige Art und seine amüsanten häuslichen Verhältnisse, in denen eine ererbte Haushälterin das Zepter schwingt, zu mögen, sondern wir lernen auch die potentiell Verdächtigen mit all ihren Macken gut kennen - die sanfte Laura, den altmodisch-gockelhaften Praetorius, die Kodderschnauze Meisner, den verklemmten Ex-Stasi-Mitarbeiter Voigt und die extravagante Mareike Lässig-Domagalla. Quasi nebenbei erhält der Leser auch noch einen Schnellkurs über die Art und Weise der Auftragsvergabe und den Konkurrenzkampf auf einem immer enger werdenden Markt, der selbst renommierte Firmen wie Planckh & Heppener beutelt. Die schöne clevere Mareike mit dem Nachnamen, der Anlaß zu einigen Wortspielereien bietet, hat für dieses Gerangel um Einfluß und Aufträge ihre eigene Lösung gefunden und wird damit zum Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Sich dies vorzustellen ist indes nicht weiter schwierig. Eik findet jedoch eine Schlußwendung, die für den Leser einiges an Pfiff und Überraschung bereithält.

Gelernt habe ich dabei vor allem folgendes: Architekten sind, allen Manierismen zum Trotz, auch nur Menschen wie du und ich, sie können pedantisch sein oder lebensfroh, gute Fachleute oder Huren, sie können ihr Geld verwetten oder sich der Unterhaltspflicht entziehen, und manchmal bearbeiten sie sogar sinnvolle Projekte. Auf keinen Fall aber wohnen sie in den Häusern, die sie für andere entwerfen. Ein wenig gut plazierte Architekturschelte konnte sich der Autor also nicht verkneifen. Die von ihm mit wenigen Strichen psychologisch überzeugend gestalteten Personen agieren in ihrem Mikrokosmos auffallend unbeschwert. Eik gelingt es, auch ohne große Action eine seltsame Art von Spannung zu erzeugen, die gar nicht unmittelbar aus dem Kriminalfall herrührt, sondern eher aus den Geschichten, die sich drumherum ranken und die durchaus auch über den Rahmen der Krimihandlung hinaus erzählenswert wären. Nicht zuletzt hätte ich gern den Fortgang der angedeuteten zarten Liebesbeziehung des Detektivs zu seiner Schreibwarenhändlerin erfahren. Vielleicht hat O. J. ja das Zeug zum Serienhelden?


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 6/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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