Eine Rezension von Waldtraut Lewin


Ossitussi go home!

Barbara Bronnen: Leas siebter Brief

Roman.

dtv Premium, München 1998, 239 S.

 

Das ist so neu nun nicht: Zwei Weiber, Ehefrau und Geliebte, raufen sich um einen Kerl, der viel zu schwach ist, von sich aus eine Entscheidung zu treffen. Das Altbewährte siegt, die Neue zieht ab - in diesem Fall zumindest mit genügend „Drachenfutter“ in Form eines Stipendiums und eines Schecks in der Tasche, um nicht ganz zu verderben. Was die Spezialität dieses Falles ausmacht, ist die Einbindung des Trivialgeschehens in den Ost-West-Konflikt. Indem nämlich die malende Geliebte Ostberlinerin ist, die Gattin hingegen verdiente Alt-Achtundsechzigerin und mit allen Wassern des feministischen Geschlechterkampfes gewaschen.

Ich-Erzählerin Judith, die eher grobgestrickte jugendliche Naive mit festen Waden und „Ossitussi“ mit Prinzipien, wird vom schönen und reichen, ach so zärtlichen und einfühlsamen Johannes nach der Wende in sein heimisches München importiert, bekommt ein Häuschen mit Garten - als Liebesnest und Atelier - gemietet und hat ansonsten drauf zu warten, daß Monsieur erscheint. Sie ist sein „rotes Söckchen“, verklärtes Schaustück einer vom linken Westler von jeher schöngeguckten DDR. Und das ging ja gut, solange man das im gewohnten Milieu, in Berlin, spielte. Aber in München kriegt Ehefrau Lea die Sache alsbald spitz und beginnt mit Nägeln und Zähnen um ihren Mann, „um seinen Schwanz und sein Geld“, zu fechten. Was da losgeht an Psychoterror und Unflat, an verbaler und physischer Gewalt, an Einbruch, Vandalismus, Diebstahl, Voudou-Schadzauber - dem steht Judith hilf- und fassungslos gegenüber. Sie verliert jede Runde gegen Lea haushoch, hat gar keine Ahnung, wie sie sich wehren soll. Der wenig konfliktfreudige Johannes ist im Handumdrehen wieder beim angetrauten Weibe, und Judith haut ab in den Osten. Sie hat da irgendwas vor. Was, weiß sie selbst nicht so genau - und wir erst recht nicht.

Die „ostwestdeutsche Affäre“, die uns der Klappentext suggerieren möchte, findet leider nicht statt wegen der ungleichen Besetzung der Protagonistinnen. Diese Judith, der nun aber alles mögliche von der Autorin determinierend in die Wiege gelegt wurde - sie ist nicht nur „echte“ Kommunistin und Künstlerin, sondern darüber hinaus auch noch Halbjüdin und Kind von VVN-Eltern -, ist ein solches Würstchen, daß man bei jeder erneuten Begegnung mit ihrer Konkurrentin Lea vor Wut in die Kissen beißen und ihr zuschreien möchte: Nun mach doch endlich mal was, Mädchen! Unverständlich, warum sie nicht schon beim ersten Stein, der durch ihr Fenster fliegt, beim ersten Droh- und Schmähbrief der anderen ihren Johannes informiert. Es sind ja keine vagen Vermutungen, sie hat ja diese Briefe alle! Sie schweigt und leidet und sieht ihre Felle davonschwimmen. Recht geschieht ihr. Letztlich ist mir die Furie von Gattin mit dem schwarzen Lidstrich, dem schwarzen Lederanzug, der seidenen Unterwäsche, der zügellosen Rache-Phantasie und der abgefeimten Taktik auch lieber als dies malende Leidensfrauchen.

Ost und West passen eben nicht zusammen, das ist das Fazit, was man schließlich zieht. Der Westen hat den Bogen raus, da kommen die Ossis eh nicht mit, geschweige gegen an. Sie sollen man lieber in die „Neuen Bundesländer“ gehn und da was auf ihre unnachahmliche, weil letztlich so redliche Art auf die Beine stellen. Der Scheck, den Judith schließlich in Leas letzter Epistel findet (dafür hat sie, Lea, Judiths bestes Bild geklaut), steht für das, was der Westen dem Osten geben kann und sollte: Knete. Dann wird’s schon klappen. Eine rührende Hoffnung, und das nach zehn Jahren gesamtdeutschen Debakels.

Das Feinziselierte ist Barbara Bronnens Sache nicht unbedingt in diesem Buch, sie trägt allüberall dick auf. Meist mit dem Spachtel. Weitschweifigkeit und Klischees, wo es ums Politische und Historische geht, rüde Hemdsärmeligkeit in den detailreich üppig ausgeschmückten Sex-Szenen, denen leider jeder Hauch von Erotik abgeht. Man krempelt die Ärmel auf (oder öffnet den Hosenstall) und kommt zur Sache. Ich hab das Buch mit einem schlechten Geschmack im Mund aus der Hand gelegt. Und mich dann mit dem lapidaren Satz am Ende des 38. Kapitels getröstet: Es gibt immer einen nächsten Morgen.

P.S. Daß Anna Seghers berühmtes Buch Das siebte Kreuz heißt, macht die Abbreviatur trotzdem nicht richtig. Auch Leas siebter Brief müßte eigentlich ein siebenter sein.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 6/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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