Eine Annotation von Wolfgang Buth


Thiel, Heinz: (Text)/Kretzschmar, Harald: (Karikaturen): Die nackte DEVA

Anekdoten, Ansichten und Geschichten aus 50 Jahren Film.

Märkischer Verlag, Wilhelmshorst 1998, 195 S.

 

DEVA? Nackte DEVA? Da stutzt der Filmfreund, hieß doch die Filmgesellschaft der DDR DEFA, ein Kurzwort aus Deutsche Film AG. Die DEVA dagegen - dies erfährt der interessierte Leser ausführlich auf Seite 146 - ist eine weibliche Skulptur, geschaffen von dem Bildhauer, Maler und Grafiker René Graetz Ende der 70er Jahre, von Bühnenarbeitern liebevoll „unsere DEVA“ getauft. Nach wechselvoller Geschichte steht sie heute vor der Marlene-Dietrich-Halle auf dem Babelsberger Filmgelände.

Das Büchlein enthält kleine Geschichten aus rund 50 Jahren deutscher Filmgeschichte. Heinz Thiel, Jahrgang 1920, Journalist, Theater-Dramaturg, Intendant, seit 1954 Regisseur im Babelsberger DEFA-Studio für Spielfilme, hat diese Geschichten größtenteils selbst erlebt, oder sie wurden ihm von Film-Kollegen erzählt. Jedenfalls hat er die Begebenheiten fleißig gesammelt. Die Geschichten und Ansichten in Form von Anekdoten bringen uns die Filmschauspieler, Regisseure und Filmverantwortlichen nah; sie sind aber auch ein wertvolles Zeitdokument eines kenntnisreichen Zeitzeugen.

So waren nach der Endfertigung eines Films die Vorführungen bei der Abnahmekommission der „Haupt-Verwaltung Film im Ministerium für Kultur“ stets gefürchtet. Und so entstand 1962 in der „DEFA-Blende“ ein beziehungsreiches „Stilles Gebet vor der Filmprädikatisierung“: „Rat der Götter“, sei uns gnädig. „Unser täglich Brot“ gib uns auch heute, versuche uns nicht mit den „Millionen der Yvette“, aber laß uns auch nicht „Nackt unter Wölfen“ sein, hülle Dich nicht in „Nebel“ und zeige uns kein „Kaltes Herz“, auf daß nicht „Einer von uns“ zu den „Elenden“ zähle und wir nicht „Reserviert für den Tod“ sind, sondern führe uns Schritt für Schritt aus dem „Teufelskreis“ unserer Verträge und schenke uns allen „Das kleine und das große Glück“, damit ein jeder DEFA-„Untertan“ in „Goldener Jurte“ mit „Steinzeitballaden“ und „Rauschenden Melodien“ auch Dich loben, preisen und allzeit singen kann: „Ach du fröhliche!“

Der Bogen der Porträtierten spannt sich von Hans Albers, Frank Beyer, Christel Bodenstein und Annekathrin Bürger über Fred Delmare, Angelika Domröse, Slatan Dudow und Johannes Heesters bis zu Manfred Krug, Rolf Ludwig, Annelie Thorndike und Eduard von Winterstein und vielen, vielen anderen.

Die Porträt-Karikaturen von Harald Kretzschmar (Jahrgang 1931, porträtiert die künstlerische Prominenz des In- und Auslandes, u. a. für den „Eulenspiegel“) sind der besondere Reiz dieser Anekdotensammlung zur Filmgeschichte. Die Porträts drücken das Besondere, Unverwechselbare des jeweiligen Künstlers liebevoll aus.

Das spannende und interessante Büchlein über rund 50 Jahre deutsche Filmgeschichte endet mit dem „Filmauftrag“ von Marlene Dietrich. Während einer Fernsehgala in der Silvesternacht 1990/91 telefonierte sie aus Paris nach Potsdam-Babelsberg: „Ich fühle mich Ihnen allen in Herzlichkeit verbunden. Ich bin von Kopf bis Fuß auch heute noch auf Babelsberg eingestellt. Es war auch meine Welt. Und es muß eine Welt des Films bleiben.“


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 6/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite