Eine Annotation von Karla Kliche


Plenzdorf, Ulrich: Eins und eins ist uneins

Eulenspiegel Verlag, Berlin 1999, 126 S.

 

Eins und eins ist zwei, rein rechnerisch. Bezogen auf eine bestimmte Vereinigung sollte es aber - wider alle Mathematik - eins ergeben. Und wenn dem nun nicht so ist, kann das Ergebnis nur lauten: uneins. Die Beweisführung für diese Rechnerei, in der auch die Variante Sado-Maso zu bedenken gegeben wird, ist vor allem dem ersten Stück dessen zu entnehmen, was hier im Band an Plenzdorfschen vereinigungsbedingten Wortmeldungen zur Lage der Nation gesammelt ist. Nicht „tragisch expressionistisch“, wie noch kürzlich literaturkritisch der im deutschen Osten entstehenden Literatur bescheinigt wurde, sondern satirisch-grotesk. Eine „Politrevue“ nennt sich dieses erste „Revolte Reform Revue“ betitelte Stück, und es gibt auf zwei Spielebenen und einer weiteren viel Raum und Gelegenheit für politisch gespitztes Sprachspiel und verquere Dialektik. Im zweiten („Freiheitsberaubung“) erfährt man die Krummwege, auf denen eine alleinstehende Frau mit drei Kindern endlich zu einer angemessenen Wohnung kommen will - überwiegend ein Monolog der Anita Paschke, die Ulrich Plenzdorf sich bei Günter de Bruyn ausgeborgt hat. Den Rest des Bandes bildet eine Reihe von Liedern, zusammengestellt aus den im Band abgedruckten und anderen Stücken Plenzdorfs.

Literatur? Keine große. Aber ganz sicher ein Spiel-Material, mit dem kleinere Theatergruppen, bekanntlich nicht gerade großzügig finanziell ausgestattet, etwas anzufangen wissen. Vor allem beim Spielen der Politrevue ist ihre Kreativität gefordert, denn alles, was hier noch kohlt, müßte wohl zum Schrödern gebracht werden. Und akribisch sollten sie sich auch nicht immer an die Figurenbezeichnungen halten, denn da schaut - etwa S. 64 und 67 - nicht mal der Autor immer durch (Lektoren, denen man das anlasten könnte, gibt’s ja wohl kaum noch). Anita Paschke wird sogar einmal nach ihrem Spielpartner, dem gewendeten ehemaligen ABV, benamst - oder war das ein Freudscher Versprecher (S. 91)? Und wie ist das mit dem Eintreten-/Beitreten-Paragraphen (S. 67)? Hier heißt er 123, aber was da im GG steht, wird wohl kaum gemeint sein. Oder?


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 6/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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