Eine Annotation von Helmut Eikermann


Klein, Georg: Libidissi

Roman.

Alexander Fest Verlag, Berlin 1998, 200 S.

 

„Die Fertigstellung des Manuskripts wurde durch ein Stipendium des Literarischen Colloquiums Berlin aus Mitteln des Senators für Kulturelles in Berlin gefördert“, heißt es im Impressum des unauffälligen Bandes, den der Rezensent mit wachsendem Interesse und zunehmendem Lesevergnügen genossen hat. Ein seltener Glücksfall für einen Romanerstling? Das LCB hat jedenfalls ein sicheres Gespür für einen bemerkenswerten Autor (Jahrgang 1953) bewiesen und der sparsame Senator das wenige für die Literatur vorhandene Geld nicht zum Fenster rausgeworfen. Dabei ist Georg Kleins Geschichte vom ich=Spaik alles andere als eine staatstragende. Sieht man einmal von der gewollt literarischen Namensgebung seines Anti-Helden ab, so liefert Klein ein überaus plastisches, ja geradezu berauschendes (und gleichermaßen bedrückendes) Porträt jener erfundenen orientalischen Hauptstadt Libidissi, in die das deutsche Bundeszentralamt seinen Agenten Spaik vor Jahren entsandt hat. Der hat sich seinen Pflichten nicht vollständig entzogen, ist der vorgesetzten Behörde jedoch in seinem Lumpensiederhäuschen und in Freddys Dampfbad gänzlich entglitten und harrt nun mit ungutem Gefühl seines Nachfolgers. Es kommen gleich zwei davon und führen wahrlich nichts Gutes im Schilde, wie Spaik und seine kindliche Gefährtin Lieschen schließlich am eigenen Leibe spüren.

Es ist eine verworrene, vielfach verwobene Handlung, die Klein aus unterschiedlichen Erzählperspektiven anbietet, eine phantastische Geschichte von Überwachung, Spionage und Tod, bei der es viel mehr auf die Darstellungskunst des Autors als auf den platten Ablauf ankommt. Wenn eingangs vom Lesevergnügen die Rede war, so gehört dazu auch der leise Schauder über all den Schmutz, die Korruption, die dumpfe Bedrohung, die über Spaik und allen Einwohnern von Libidissi lasten. Immer wieder ist man versucht, Beziehungen zu realen Vorgängen in bekannten Ländern zu sehen - Georg Kleins Roman bietet eine Unzahl von Parallelen an. Daß in seinem Bestiarium menschlicher Absonderlichkeiten, zwischen Kranken, Spitzeln, Drogensüchtigen und seltsamen Homoerotikern „normale“ Figuren keinen Platz gefunden haben, kann man ihm nicht negativ anrechnen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 6/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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