Eine Annotation von Gunther Hildebrandt


Lippert, Stefan: Felix Fürst zu Schwarzenberg

Eine politische Biographie.

Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1998, 445 S.

 

Der früh verstorbene österreichische Ministerpräsident Felix von Schwarzenberg (1800-1852) gibt als Persönlichkeit bis heute manches Rätsel auf. Das gilt mehr für seine Psychologie als für die biographischen Fakten. Zwar hat Schwarzenbergs Schwester auf seinen Wunsch nach seinem Tode alle verfügbaren Aufzeichnungen vernichtet, doch staatliche Akten und das dennoch Überlieferte an Persönlichem liegen zuhauf. Lippert, der die wenigen umfassenderen, meist älteren Biographien über Schwarzenberg weit hinter sich läßt, hat vor allem mit Hilfe der Akten aus dem Schwarzenbergschen Familienarchiv in Krumau und Murau die oft stiefmütterlich weggekommene frühe Phase der Entwicklung Schwarzenbergs gut aufgehellt. Mit 24 Jahren reif genug, um zu erkennen, wo seine Stärken und künftigen Möglichkeiten lagen, vertauschte Schwarzenberg, ursprünglich Kavallerieoffizier, die Kürassierstiefel mit dem diplomatischen Parkett. Metternich machte ihn nacheinander zum Attaché (also zum zweiten Mann) an den Botschaften in St. Petersburg, Lissabon, London, Paris, Berlin, danach zum außerordentlichen und bevollmächtigten Gesandten in Turin und Neapel. Fast immer an Brennpunkten des Geschehens oder aber mit wichtigen Sondermissionen betraut (z. B. bei der diplomatischen Lösung der portugiesisch-brasilianischen Frage 1826-1828 oder während der Monarchentreffen zwischen Franz I., Friedrich Wilhelm III. und dem Zaren AlexanderI. 1833), reüssierte er frühzeitig und erwarb sich das Wohlwollen seines Förderers Metternich, was Schwarzenberg einerseits auszunutzen verstand, ihn aber gleichzeitig auch nicht daran hinderte, frühzeitig von diesem Abstand zu gewinnen. Lipperts Buch gibt zu erkennen, daß Schwarzenbergs Entwicklung ambivalent war. Er wurzelte fest im konservativ-monarchischen Denken, war aber realistisch genug zu erkennen, daß die Monarchie - wollte sie überleben - zeitgemäßer Reformen (v.a. in der inneren Verwaltung und Agrarverfassung) bedurfte. Damit war Schwarzenberg der richtige Mann, die österreichische Monarchie 1848 aus ihrer schweren Krise zu führen. Die Lektüre des Buches führt sogar zu der Erkenntnis (obwohl Lippert dies so nicht sagt), daß die Einsetzung der Regierung Schwarzenberg für das konservative Österreich 1848 die einzige Überlebenschance bedeutete. Franz Joseph bewahrte seinem Ministerpräsidenten, ungeachtet späterer persönlicher und politischer Entfremdung, stets tiefe Dankbarkeit. Schwarzenberg, im Frühjahr 1848 in den Militärdienst zurückgekehrt, war einer der wenigen hohen Militärs, die in komplizierten Situationen (vor allem vor Wien im Oktober 1848) Überblick und Tatkraft bewiesen. In der Konsolidierungsphase Anfang 1849 folgte er nicht den kurzsichtigen politischen Empfehlungen seines Schwagers Windischgrätz, sondern wenigstens anfangs halbwegs konstitutionellen Grundsätzen. Leider kommt die Gesetzgebung der Regierung Schwarzenberg 1849 (oktroyierte Verfassung, Gemeindegesetz, Justiz- und Verwaltungsreform), die die konservativ-reformerischen Ansätze verdeutlicht, etwas kurz weg. Mehr Textanalyse wäre zu wünschen gewesen. Ausführlich dargestellt werden der Ungarn-Komplex sowie der Mitteleuropa-Plan und die Bundespolitik Schwarzenbergs. Im Scheitern seines Mitteleuropa-Konzeptes, des Versuchs, den habsburgischen Gesamtstaat in den erneuerten Deutschen Bund zu integrieren, sieht Lippert die wichtigste Niederlage Schwarzenbergs. Lippert betont diesen Abstieg, dem der Aufstieg des um 20 Jahre älteren Kübeck und seiner Einsetzung zum Präsidenten des bald allmächtigen österreichischen Reichsrates entgegengesetzt wird, stark. Ob zu Recht, dürfte noch nicht bis ins letzte geklärt sein. War der Stern des Siegers von Olmütz wirklich schon so schnell verblaßt? Rätsel der Persönlichkeit bleiben. Bekanntlich hat der in der Politik meist nüchtern abwägende Schwarzenberg bei der Verfolgung der 48er Revolutionäre, so bei der Hinrichtung Robert Blums oder der ungarischen Revolutionsgeneräle 1849, seinem Haß alle Zügel schießen lassen. Lippert hat die Facetten dieser Persönlichkeit zum Ausdruck gebracht. Allerdings wird der Spannungsbogen der Darstellung nicht bis zum Ende durchgehalten. In den Kapiteln „Un garische Frage“, „Deutsche Frage“ und „Mitteleuropaprojekt“ überwiegt allzusehr der historische Kontext, und Schwarzenberg tritt demgegenüber stark zurück. An dem insgesamt positiven Urteil, welches das aus einer 1995er Dissertation (bei Michael Salewski, Kiel) hervorgegangene Buch verdient, soll diese Einschränkung nichts ändern.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 5/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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