Eine Annotation von Horst Wagner


Preißler, Helmut: Gründe oder Wer nicht die Kehre macht ...

GNN-Verlag, Schkeuditz 1997, 143 S.

 

Das biographische Handbuch „Wer war wer in der DDR“ nennt Helmut Preißler einen „Verfasser von holzschnittartigen Agit-Prop-Gedichten“, was offenbar eine Umschreibung von Lebens- und Sozialismusbejahendem sein soll. „Ich war ein Überzeugungstäter“ gesteht der 1925 in Cottbus als Sohn eines Spinnmeisters Geborene, der noch als Soldat den Krieg mitmachen mußte, danach zum Minenräumen am Rhein befohlen wurde, später in Cottbus Lehrer war, das Literaturinstitut in Leipzig besuchte, als Kulturfunktionär der Gewerkschaft im Eisenhüttenkombinat an der Oder arbeitete, neben Gedichten und Songs auch Hörspiele und Theaterstücke schrieb, in seinem nun schon nicht mehr ganz neuen Sammelbändchen. Anstoß dazu, so Preißler im Vorwort, sei eine (für ihn überraschend nach seinem Stummwerden in der Wendezeit erfolgte) Einladung zu einem Schriftstellertreffen Ende 1993 gewesen, zu dessen Themen die Frage gehörte: „Wie wurden DDR-Autoren mit dem Scheitern der Jahrhundertillusion fertig?“ Die 15 aufgenommenen Reden, Essays und Briefe aus den Jahren 1986 bis 1995 sowie eingefügte Gedichte von damals und heute sollen Antwort geben auf diese Frage, Gründe nennen, warum er nicht „die Kehre machte“. „Ich lebte gern in der DDR. Sie war mir lieb“, bekennt er. Für ihn sei das, was scheiterte, weder ein Wahnbild noch eine Selbsttäuschung gewesen. Aber er räumt auch ein, daß andere dieses Land, in dem „die Arroganz und die Härte der Macht“ wuchsen, ganz anders erlebten, und schreibt: „Der Zorn der Opfer auf mich und meinesgleichen ist nur zu gerecht; daß wir ihre Lage nicht begriffen, ist schwer zu verzeihen. Aber vielleicht ist es doch zu erklären?“ Preißler macht kein Hehl daraus, daß er sich als Lyriker in der Tradition Erich Weinerts sah. Aber seine in den Band aufgenommene Rede vom Dezember 1986 auf einem Symposium in London macht deutlich, daß Lyrik für ihn immer mehr war als Agit-Prop. Bedenkenswert Preißlers Aufforderung, die er dem Auswahlbändchen vorangestellt hat: „Wir im Osten sollten uns zu unserer Vergangenheit bekennen, so wie wir sie lebten.“ Die „Gutwilligen in Ost und West“ sollten den Mut haben, „sich zu erklären und miteinander zu reden, damit aus den Vorwürfen und Vorurteilen Fragen und Urteile werden und wir uns näher kommen“.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 5/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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