Eine Annotation von Björn Berg


Coolsaet, Bo: Der Pinsel der Liebe

Leben und Werk des Penis.

Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 1999, 320 S.

 

Wissen Knaben und Kerle wirklich, was sie da täglich so oft und achtlos in der Hand halten? Oder müßte das der Genauigkeit halber heißen: mit der Hand halten? Und das nur, um das eine zu tun: pinkeln nämlich. Und nichts weiter! Ist anderes im Sinn und so in den sinnlichen Sinnen, dann bekommt „das Ding“ in der Hand des Mannes manchmal eine unaussprechliche, manchmal eine unglaubhafte Dimension. Dann läßt sich kaum mehr leichtfertig vom „kleinen Unterschied“ reden. Der profane, gar nicht so ansehnliche, ansehenswerte Pimmel wird zum himmlisch-heiligen St. Phallus. Mit Metaphern wird das Gottesgeschöpf umschmeichelt. Plötzlich heißt der Piepel Der Pinsel der Liebe. O ja, o je! Angst und bange kann einem werden, denkt man an die Malerei, weil man weiß, welch eine Kunst es ist, den Pinsel zu führen. Keine Bange, keine Angst! Der „Prinz im Penisland“, dem nichts am „männlichen Kleinod“ fremd ist, nimmt alle Laien an die Hand. Der Prinz ist ein holländischer Professor für Urologie. Bo Coolsaet hat ein Buch über „Leben und Werk des Penis“ verfaßt. Das gibt sich aufgeklärter als Dutzende Aufklärungsbücher und will kein Aufklärungsbuch sein. Was es nicht sein will, ist es auch. Weil der Autor ein Aufklärer ist, der Frau wie Mann beibiegen möchte, daß Sexualität und Schuld nicht wie ein Schamhaar am anderen haften. Liebe, meint Herr Professor, beginnt mit der Liebe zum eigenen Körper. Frei nach dem Motto: Der Mann, der seinen Penis nicht ehrt, ist seinen Penis nicht wert. Was aber wäre Der Pinsel der Liebe ohne Leinwand? Gott weiß, warum er katholischen Priestern die Leinwand entzog. Damit sie nicht noch mehr verpfuschen? Um den Pfusch zu verringern, hat Bo Coolsaet sein Buch rund um den und entlang des Penis geschrieben. In der „großen Hoffnung“, daß mehr Menschen kapieren, „wie sehr ihr Schicksal zu einem großen Teil in ihrer Hand liegt“. Na bitte. Ist doch gesagt. Immer schön alles in die Hand nehmen. So und/oder so!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 5/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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