Eine Annotation von Bernd Heimberger


Walz, Linda/Seidl, Gerhard (Hrsg.): Lust an der Lust

Ein Lesebuch der Begierden.

Piper Verlag, München 1998, 288 S.

 

Wer keine Lust hat, eine Sache mit Lust zu machen, sollte von der Sache lassen. Vor allem von der Lustsache. Na, Sie wissen schon! Ohne Lust getan, kann die ’ne ganz schöne Last werden. Vor allem, wenn man(n) ’ne glaubhafte Ausrede für die mangelnde, ausbleibende Potenz braucht. Wer wird glauben wollen, daß die Unlust auf das Lieben aus lustlosem Vorspiel gemacht ist? Zum Beispiel der fehlenden Einstimmung durch gutes Essen, edle Getränke, kräftigen Tabak. Es soll ja auch Genießer geben, die diese Genüsse der Lust aller Lüste vorziehen, ohne einen Verlust zu fühlen. Die lebenslange Frage ist also: Wie läßt sich Lusterwartung und Lusterfüllung - Verzeihung! - deckungsgleich machen? Einigen wir uns darauf: Einfache Lust ist so einfach nicht zu haben?! Die gemeinsame, einfache Lust ist der Glücksfall, den sich jeder zwar nicht jeden Tag wünscht, doch häufiger, als er ihm widerfährt. Wohin und wie weit die christliche Menschheit in 2 000 Jahren mit ihren lustvollen, lustwollenden Wünschen gekommen ist, darauf will immer wieder einmal eine Anthologie die Aufmerksamkeit lenken. Diesmal hat’s ein Paar, Linda Walz und Gerhard Seidl, nicht länger gehalten, von ihnen aufgespürte Lesestücke zu den Lüsten einem Taschenbuch einzuverleiben. Lyrisches von Villon bis Brecht ist mit von der Partie. Namen also, die was hermachen sollen, doch die Sammlung nicht lustbetonter. Vielleicht hätten die Herausgeber in fernen afrikanischen, asiatischen, australischen Landen schürfen sollen. Womöglich wäre etwas mehr von der kreatürlichen denn kultivierten Lust zu holen und zu bieten gewesen. Geht die schöne stilisierte Lust nicht in Fransen, verleitet sie leicht zum Gähnen. Nie war die Sache der Lüste so lustlos, seit sie fortgesetzt ungestraft vom Fernsehen vergewaltigt wird. Wollen sich da ein paar Buchseiten zum Retter aufspielen? Schaffen sie nicht!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 5/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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