Eine Annotation von Gisela Reller


Kuprijanow, Wjatscheslaw: Wie man eine Giraffe wird

Gedichte. Russisch und Deutsch.

Alkyon Verlag, Weissach i.T. 1998, 129 S.

 

Wjatscheslaw Kuprijanow wurde 1939 in Nowosibirsk als Sohn eines Arztehepaares geboren, sein Vater fiel 1942 an der Front. Nach dem Abitur und einem Jahr Arbeit auf dem Bau wurde er in die Leningrader Kriegsmarine-Hochschule aufgenommen. 1960 verließ er das Militär und setzte sein Studium im Moskauer Institut für Fremdsprachen (Deutsch, Französisch und mathematische Linguistik) fort. Er lebt heute in Moskau.

Dem deutschen Leser ist Kuprijanow nicht unbekannt, konnte er seine Gedichte doch bereits in den Bänden Das Wagnis des Vertrauens (1987), Aufforderung zum Flug (1990) und Eisenzeitlupe (1996) zur Kenntnis nehmen. Wie man eine Giraffe wird erscheint bereits in 3. Auflage.

Immer schon kritisierte Kuprijanow in seinen Gedichten schonungslos die politische Situation in Rußland. So schrieb er sein erstes satirisches Poem bereits 1959, es erschien aber erst 35 Jahre später (1994, Moskau). Wegen seiner kritischen Haltung gegenüber seinem Staat wurden mehrere seiner Gedichte erst Jahrzehnte später veröffentlicht. Auch in den sowjetischen Schriftstellerverband wurde er erst 1976 aufgenommen, obwohl er bereits seit 1967 als freischaffender Schriftsteller und Übersetzer arbeitete. Aus dem Deutschen übersetzte Kuprijanow Hölderlin, Novalis, Chamisso, Hofmannsthal, Rilke, Brecht, Enzensberger, Grass, Bobrowski u.a.

Die Gedichte in diesem Band sind bissig (Denkmal für einen unbekannten Idioten) und liebenswürdig (In mein Gesicht/hab ich all die Gesichter/meiner Geliebten aufgenommen/Wer kann jetzt noch sagen/daß ich nicht schön bin), sind satirisch (Hippo-Poem) und heiter (wenn man ganz einfach von Huhn zu Huhn reden möchte), sind mahnend (In einer Welt/die einmal war/stellte man/um die Wälder/zu retten/Zäune auf/Erst/als die Bäume/alle zu Latten/verarbeitet waren/stellte man fest:/der Schutz/für die Wälder/wurde ordnungsgemäß/ durchgeführt/In einer Welt/die einmal war) und nachdenklich (Ich versuch’s zu finden).

Die Gedichte von Kuprijanow sind bis jetzt außer in Rußland und Deutschland auch in Polen, Jugoslawien, Bulgarien, Holland, Sri Lanka und in Großbritannien erschienen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 5/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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