Eine Annotation von Bernd Heimberger


James, P. D.: Was gut und böse ist

Aus dem Englischen von Christa Seibicke.

Droemersche Verlagsanstalt, München 1999, 549 S.

 

Wer wird an eine Phyllis Dorothy denken, wenn P. D. James vorliegt? Ein Name wie geschaffen für eine Kriminalkommissarin. Der Name einer Krimiautorin, die sich jene Krone aufs Haupt stülpte, die vor ihr Agatha Christie trug. Sich P. D. als Großmutter denken? Gott behüte! Doch, Oma macht’s möglich! Ohne Scheu und Pardon hat P. D. James ihren 14ten Roman den Enkelkindern Katharina, Thomas, Eleanor, James und Beatrice gewidmet. Mögen die, wenn’s irgendwann ans Erben geht, unterscheiden, Was gut und böse ist - Erstes Buch Moses -, damit’s nicht so mörderisch wird in ihrem Leben wie in Omas neuesten Krimi.

Fernsehverbildete, die glauben, daß der Mörder per Telefon kommt, belehrt die Expertin bereits mit dem ersten Satz des Romans: „Mörder pflegen sich normalerweise nicht vorher anzumelden.“ Krimi-no-logisch schreibt P. D. James die Chronik eines unangekündigten Todes, sprich Mordes. Unausweichlich erwischt der die Staranwältin Venetia Aldridge. Kaum daß die Leser den Namen kennen, erfahren sie, daß Aldridge nur noch „vier Wochen, vier Stunden und fünfzig Minuten zu leben“ hat. Kaum einen Absatz weit im Buch, wissen die angefütterten Krimikonsumenten, was gehauen und gestochen ist. Sie dürfen vermuten, daß Rache oder Haß die Anwältin trifft. Von derart schlichter Denkungsart ist P. D. nicht. Sie mag’s und macht’s kniffliger. Das schließt, insbesondere in diesem komplizierten Fall, nicht aus, daß der oder die Schurken der heimtückischen Meuchelei aus den Reihen der Rechtsverwalter höchstselbst stammen. Der Rest - des Inhalts - ist Schweigen. Wer wird denn immer gleich den Gärtner als Mörder denunzieren!

P. D. James hat wieder jede Menge Papier verbraucht. Aufgeplustert auf gut halbtausend Seiten, versucht sie alles Autorenmögliche, um menschliche Missetaten zu klären und zu erklären. P. D. James braucht immer ebensoviel Papier wie ihre Kollegin von der friedfertigen Fraktion, die Pilcher heißt. Spannung spult die Krimischreiberin durch jedes nur erdenkliche Verb, Adverb, Adjektiv auf, die jedes Substantiv verbergen. Keine Binsenwahrheit wird so wahrer. Manche Plattheit aber platter. Von Buch zu Buch wird Bekanntes wiederholt: „Es kann uns nur guttun, wenn wir uns ab und zu daran erinnern, daß unser Rechtssystem von Menschen gemacht und daher nicht unfehlbar ist ...“ Machen Sie’s mal halblang, ist man geneigt, der Endlos-Krimi-Klöpplerin zuzurufen. Die halbe Länge wär’ lang genug. Muß gewieften Spürhunden der Tip gegeben werden, daß der gesamte Krimi auf die Kapitel 1 und 47 zusammengestrichen werden könnte, um, im ganzen, ganz im Bilde zu sein? Wie dann aber herausfinden, daß der 14te Roman das bisher beste Buch von P. D. James ist? Sagen jedenfalls die englichen Kritiker. Die wohl vergessen haben im Eifer, daß sie das auch vom 13ten, 12ten, 11ten, 10ten ... Roman der P. D. James sagten. Kriminell!


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 5/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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