Eine Annotation von Thomas Przybilka


Fradik, Franziska: MoZart-Kugeln

Thriller.

Siegfried Pater, Bonn 1998, 101 S.

 

Ein etwas anderer Krimi ist erst jetzt auf meinem Schreibtisch gelandet. Franziska Fradik (Pseudonym) hebt sich mit MoZart-Kugeln, einem Thriller, konzipiert als Theaterstück, sowohl in der Form als auch in der Aufmachung aus dem Gros der Genreliteratur heraus. Statt Kapiteln gibt es sogenannte Rollen, insgesamt zehn. Durch die Story führt die Ich-Erzählerin Susanne. Sie gibt den übrigen Protagonisten die Stichworte für ihre Auftritte.

14 Tage vor Ostern 1992 reist ein Bonner Ehepaar nach Rio de Janeiro. Er, als Angehöriger des Umweltministeriums mit den Vorbereitungen der „Öko 1992“ betraut, sie, um sich vordergründig mit der Recherche zu „Donna Leopoldina“, der brasilianischen Kaiserin, zu befassen. In Wahrheit will sie aber die bis dato ungeklärten Umstände des Verschwindens ihrer jüngeren Schwester Jutta klären und Licht in die Umstände ihres Todes bringen, bei dem ein Mann namens Mozart seine Hände im Spiel gehabt haben soll.

Jutta, Mitarbeiterin und Geliebte des Journalisten Alfredo von Aumann, wurde zuletzt gesehen, als sie mit Aumann ein Fischerboot bestieg. Das Fischerboot kehrte nie zurück, nur die Leiche Aumanns wurde aufgefunden. Dennoch ist in den Medien von einer unbekannten Frauenleiche die Rede, deren Oberkiefer und Gesichtspartien von einen Schuß zerstört wurden. Aumann war offensichtlich auf Hintergrundrecherche für eine Reportage über „yellow cake“, gereinigtes und wieder anreicherbares Uran. Zudem tauchen Dokumente auf, die Aumann mit dem Geheimdienst des Landes in Verbindung bringen. Die Melange aus waffenfähigem Uran und Geheimdienst ist ganz offensichtlich so brisant, daß eine neuere polizeiliche Untersuchung der beiden Todesfälle zwar viel Staub aufwirbelt, dennoch aber im Sande verläuft. Indizien, daß beide von staatlicher Seite beseitigt wurden, sind augenscheinlich, doch niemand hat Interesse, das sorgsam verschnürte Paket von Stillschweigen und Desinformation zu öffnen. Desillusioniert und in Angst um das eigene Leben, reist das Ehepaar enttäuscht und unverrichteterdinge aus Rio de Janeiro ab.

Die Autorin Franziska Fradik ist die Bonnerin Ingrid Schwamborn, die als Lehrbeauftragte für brasilianische Literatur an der Universität zu Köln tätig ist. Von 1968 bis 1978 und von 1989 bis 1995 lebte sie in Brasilien, ist also mit Land, Leuten und Mentalität des südamerikanischen Staates bestens vertraut. Realer Hintergrund des Thrillers sind ganz offensichtlich der Umweltgipfel 1992 in Rio de Janeiro, bei dem über vieles geredet, wenig aber in die Tat umgesetzt wurde, und ein Mord an einem deutschstämmigen brasilianischen Journalisten während des Golfkrieges 1991. Dieser Journalist recherchierte zu unerlaubten Lieferungen von „yellow cake“ von Brasilien nach Bagdad. Fradik/Schwamborn hat diesen realen Kriminalfall und die Probleme des Umweltgipfels von Rio zu einem durchaus interessanten Thriller-Debüt verwoben.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 5/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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