Eine Annotation von Gisela Notz


Behr, Sophie: Ida & Laura - once more with feeling

Ulrike Helmer Verlag, Königstein/Taunus 1997, 373 S.

 

Ich habe in meinem Leben viele Bücher gelesen, aber noch nie ein so ungewöhnliches. Spannend und amüsant zu lesen und herrlich verrückt ist es außerdem.

„Wir haben klare Grenzen gezogen. Die Formulierung zum Verbot des Klonens von Menschen ist strenger als alles andere, was es in diesem Bereich bisher auf internationaler Ebene gegeben hat“, so ein bundesdeutscher Europaabgeordneter nach der Verabschiedung der EU-Richtlinie über Gen-Patentierung im Mai 1998. Nach dieser Richtlinie ist unter anderem das Klonen von Menschen im Bereich der Europäischen Union verboten. Im Mai 1998 war Sophie Behrs Buch Ida & Laura - once more with feeling bereits erschienen. Sicher hätte sich die Hauptfigur Ida auch nach dem Verbot großzügig darüber hinweggesetzt. Das heißt nicht, daß Behr das Klonen propagieren will. Sie beschreibt die wohl radikalste, kompromißloseste, zärtlichste und innigste Beziehung zwischen Mutter und Tochter, das fasziniert. Sie läßt dabei die intimsten Mutterwünsche zu, verherrlicht, aber problematisiert auch. „Den Klon“ kann man eben nicht einfach machen, wie andere Menschen Bilder malen oder Filme drehen.

Die Versuchung ist groß, das Buch zu schnell durchzulesen, ohne sich die Zeit zu nehmen, es ganz auf sich wirken zu lassen. Das Buch ist nicht nur ein „Roman über die Liebe“, wie es in einer Tageszeitung heißt, es ist auch ein Tagebuch und ein Gedichtbuch und ein Liederbuch und ein Buch über die Lust und das Leid, und es ist ein Buch mit phantastischen Wortspielen. Mit großer Hingabe schildert die Autorin den Sturm von Gefühlen, den die Lust des „ersten Mals“ bei ihrer Romanfigur Ida auslöste, die große Liebe und Leidenschaften zwischen Schmerzens- und Lustschreien, die nicht mehr auseinanderzuhalten sind. Schade, daß das Buch teilweise ins Vulgäre abgleitet.

Ida beschreibt im Rückblick ihr Leben mit allen „ups and downs“ und vielen Liebhabern. Feministische Patriarchatskritik wird nicht mit erhobenem Zeigefinger geübt, sondern ergibt sich aus Erlebtem: Da geht es um die Erfahrung, die nur wenigen Frauen erspart bleibt, „daß Berührung in der Absicht geschehen kann, allein dem Berührenden Lust zu verschaffen“, oder daß viel zu viele Töchter sich selbst immer als Enttäuschung erleben mußten, weil sie ohne „ein Zipfele“ auf die Welt gekommen sind. Andererseits Frauen ihr Leben lang nichts anderes als Mütter sein sollen, nur weil sie Kinder kriegen. Das Buch ist in einem Frauenverlag erschienen, und es ist - wenn auch nicht auf den ersten Blick - ein Frauenbuch. Viele alte Träume werden wach, Träume und Hoffnungen, die an den Aufbruch der Frauenbewegung der 70er Jahre erinnern. Die Pille als Befreiung. Viele Liebesnächte mit vielen verschiedenen, selbst ausgesuchten Partnern. Enttäuschungen auch.

Aber das wohl Eindrucksvollste an dem Buch ist, daß sich Ida einen Kinderwunsch erfüllt, den Wunsch nach einem Kind für sich alleine. Dafür nimmt sie vieles in Kauf.

Sophie Behr nimmt ihre LeserInnen mit in eine neue Welt im Aufbruch. Radikale Grenzverschiebung. Ida, die Ich-Erzählerin, ist fünfzig und fühlt sich gerade im rechten Alter, um Mutter zu werden. Ihr Liebhaber hat dafür kein Ohr. Für Ida beginnt - wie oftmals vorher schon - ein neues Leben. Sie macht sich ihr Kind alleine. Sie macht den Klon, als erste, als einzige. Das ist ihr ganz, ganz wichtig, daß sie die erste ist. Sie will einen Menschen klonen, und zwar eine Tochter nach ihrem Bilde. Ein Kind als eigenen Zwilling. Es soll ihm an nichts fehlen, es soll auf jeden Fall nur Glück kennenlernen. Und so geschieht es auch, bis das Kind nach seinem Vater fragt. Darauf, so meint es, habe es ein Recht. „Wie sag ich das nun meinem Kinde?“ Diese Frage wird für Ida zum Alptraum. Laura, das geklonte Kind, will später auf natürliche Weise ein Kind bekommen. Doch das gelingt ihr nicht. Sie ist unfruchtbar und deshalb maßlos wütend auf die Mutter. Ida hat sich ihren Wunsch erfüllt, aber die Klon-Technik ist unperfekt, und Laura ist es, die damit zurechtkommen muß. Hier findet die feministische Utopie ein abruptes Ende.

Die Technik des Klonens ist nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Es wird an den Menschen liegen, ob ihre Anwendung geächtet oder geachtet wird. „Klone sind so absehbar wie Gentomaten und so realistisch wie Samenbanken“, heißt es im Pressetext des Verlages. Zuchtphantasien aller Art gibt es zuhauf. Der Roman läßt das Ungeheuerliche ahnen und kann so auch ein Lehrbuch sein für diejenigen, die Wunschkinder vervielfältigen oder gar Menschen optimieren wollen. Ein Lehrbuch, das appelliert, es besser zu lassen.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 5/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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