Eine Annotation von Licita Geppert


Baldacci, David: Die Versuchung

Roman. Aus dem Amerikanischen von Edda Petri.

Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 1998, 541 S.

 

Die Versuchung tritt an die in armseligsten Verhältnissen lebende LuAnn Tyler in Gestalt von Mr. Jackson heran. Mr. Jackson ist ein unscheinbarer, etwas dicklicher Mann mit spärlichem Haarwuchs; er hat LuAnn einen unglaublichen Vorschlag zu machen: Sie wird, sofern sie in seine Bedingungen einwilligt, eine immense Summe in der nationalen Lotterie gewinnen, mit hundertprozentiger Erfolgsgarantie. LuAnn ist - obwohl schön wie die Sünde - ein zwar armes, aber ehrliches und aufrechtes Menschenkind. Sie will dieser Versuchung widerstehen, bis ... ja, bis sie erleben muß, daß ihr sogenannter Lebensgefährte in Drogengeschäfte verwickelt ist und bei Streitigkeiten mit seinen Chefs ums Leben kommt. Sie läuft dem Mörder direkt in die Arme, erschlägt ihn in Notwehr (sehr durchtrainiert ist LuAnn auch), schnappt sich ihr Baby und gibt Mr. Jackson ihr Einverständnis zu dem Coup. Das geschieht keine Sekunde zu früh, denn Mr. Jackson kann den Killer gerade noch zurückpfeifen, der LuAnn nach Ablauf der Entscheidungsfrist hätte umbringen sollen. LuAnn flüchtet nach New York, wird dort von einem sympathischen Mann namens Charlie im Auftrage Mr. Jacksons betreut, gewinnt 100 Millionen und muß - aus Angst vor einer Mordanklage - in Charlies väterlicher Begleitung sofort außer Landes fliehen.

Zehn Jahre später hat sie das Leben auf der Flucht nach den strengen Anweisungen Mr. Jacksons satt und kehrt heimlich in die Vereinigten Staaten zurück, wo ein übereifriger Journalist nach und nach ihre Geschichte aufdeckt und ihr Versteck enttarnt. Nun greift Mr. Jackson ein, dessen erstaunliche Manipulationen damit auch in die Gefahr der Aufdeckung geraten. Natürlich ist Mr. Jackson gar nicht Mr. Jackson. Er ist schlauer als jeder Finanzjongleur, kaltblütiger als Jack the Ripper und verwandlungsfähiger als Sherlock Holmes, kurz gesagt, er ist ein gefährlicher Psychopath. Er kommt und geht wie der Wind und ist mit Latexgesicht, Perücke und Gummipolstern weder als er selbst noch als Fälschung zu erkennen, auch nicht aus nächster Nähe! Derart gerüstet, rächt er sich an dem Journalisten, an seiner Schwester, seinem Bruder und einigen anderen mehr. LuAnns Tod möchte er jedoch auf besondere Art qualvoll zelebrieren. Die aber hat nun nicht mehr nur Charlie an ihrer Seite, sondern auch noch den geheimnisvollen Matt Riggs (einen ganz speziellen Spezialagenten des FBI - aber nicht weitersagen). Und schließlich auch noch das gesamte FBI und den Präsidenten, denn der Lottoschwindel darf nicht ruchbar werden. Die drei Freunde - und zum Schluß nur LuAnn - machen sich allein und mit bloßen Händen daran, Mr. Jackson zu finden und dem FBI (möglichst tot) auszuliefern. Klappt natürlich.

Man kennt das doch schon aus unzähligen Büchern und Filmen - jeder kann alles, aber die Guten sind letztendlich immer einen Tick schneller oder besser als die Bösen oder die Ignoranten. David Baldacci, ein Anwalt, spult routiniert seinen Thriller ab, ohne jeden psychologischen Tiefgang. Es gibt jede Menge Unstimmigkeiten und Ungereimtheiten, die nur dem Fortgang der Story dienen. Das Personal der Handlung ist schablonenhaft simpel. Brisante Enthüllungen aus der realen Welt gibt es gleich gar nicht. Die Geschichte schreitet zügig voran, und genauso zügig liest man das Buch, ohne jedoch davon wirklich gepackt zu sein. Schade. Thema verschenkt.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 5/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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