Eine Rezension von Birgit Pietsch


Baukunst der konservativen Revolution

Frank-Bertolt Raith: Der heroische Stil
Studien zur Architektur am Ende der Weimarer Republik.

Verlag für Bauwesen, Berlin 1997, 238 S.

 

Die Ausgestaltung der Neuen Wache durch Heinrich Tessenow (1930/31), das Gemeindehaus der Matthäus-Kirche in Berlin-Steglitz von Otto Rudolf Salvisberg (1928-1930) und das Haus des Deutschen Versicherungskonzerns (1930/31) von Emil Fahrenkamp haben eines gemeinsam, sie lassen sich nicht in das beliebte Schwarzweißschema Neues Bauen oder Traditionalismus einordnen. Eine Sicht, die lange Zeit die Breite des Bauens in der Weimarer Zeit vernachlässigte. Gemeinsames Kennzeichen der genannten Bauten ist der heroische Stil - eine Richtung, die nur relativ kurze Zeit existierte, die meisten seiner Zeugnisse entstanden von 1925 bis 1932.

Frank-Bertolt Raith nimmt sich in dem vorliegenden Buch dieses Baustils an, der mitsamt seiner Protagonisten nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur verpönt, sondern geradezu tabuisiert wurde. Gründe hierfür waren die scheinbare oder auch wirkliche Nähe zum Bauen im Dritten Reich und zudem ein Siegeszug der Radikalmoderne, der andere baukünstlerische Ausdrucksformen überhaupt nicht gelten ließ. In den letzten Jahren hat sich das geändert: Einige Bauten der Postmoderne nehmen durchaus Anleihen bei den einst Verfemten. Auch die Literatur widmet sich nun dieser Thematik, Arbeiten über Salvisberg und Domenikus Böhm belegen dies.

Mit ihren modernen Formen entsprechen die Bauten des heroischen Stils nicht gerade der landläufigen Auffassung von einem konservativen Stil. Indem Raith die Architektur in die Kulturauffassung der konservativen Revolution einbettet, findet er eine Erklärung für den scheinbaren Widerspruch. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie und den Wirren der folgenden Jahre war Konservatismus im eigentlichen Sinne nicht mehr möglich. Der Ausweg findet sich in der Formulierung Moeller van den Brucks, „konservativ ist, Dinge zu schaffen, die zu erhalten sich lohnen“. Die höchst differenzierte Bewegung der konservativen Revolution stand einerseits fasziniert vor den Möglichkeiten der Moderne, andererseits dem damit einhergehenden gesellschaftlichen Wertewandel und der bürgerlichen Demokratie ablehnend gegenüber. So existiert auch bei den behandelten Bauwerken neben der revolutionären Form keine analoge Botschaft. Raith findet gar einen Verzicht auf Mitteilung zugunsten der „Reinheit der Form“. Die Intensität des Ausdrucks ersetze einen konkreten Inhalt. Statt dessen werde eine Atmosphäre „allgemeiner Bedeutsamkeit“ erzeugt. Übereinstimmungen zwischen der konservativen Revolution und dem heroischen Stil sieht der Autor in dem gemeinsamen Glauben an die Kraft von Bild, Kult und Mythos. Architektur wäre so regelrecht Metaphysikersatz. So konstatiert Raith für die Bauwerke dieser Richtung: „Ohne die Bereitschaft des Publikums, in der Architektur überhaupt eine kultische Ebene wahrzunehmen, bleiben viele dieser Bauten belanglos ... Gerade aus einer gesteigerten, aber für den Betrachter nicht nachvollziehbaren ,Sachlichkeit‘ der Formen etwa kann ein Umschlag in Metaphysik resultieren - die Modernität der Bauten verhindert ihre Inbesitznahme.“ Als beispielhaft für ein Zusammenspiel von Modernität und Unheimlichkeit sieht der Autor das Ehrenmal in der Neuen Wache, im Entwurf und der Ausführung von Tessenow und vor allem in den Plänen von Mies van der Rohe hierzu.

Die Bauwerke des heroischen Stils zeigen bei großer formaler Variationsbreite als Gemeinsamkeit eine strenge und kalte hermetische Form. Ein Merkmal, das oft nur auf einige Werke der behandelten Architekten zutrifft, während andere Bauten - etwa von Mies van der Rohe oder von Tessenow - dem Neuen Bauen bzw. dem traditionellen Stil zuzuordnen sind. Für die Vertreter des heroischen Stils, die weder eine organisierte Gruppe waren noch über eine einheitliche Programmatik verfügten, sieht Raith eine Aussage des Architekten Clemens Holzmeister als exemplarisch an: „Ich habe nie architektonisches Wollen zu Programmen geformt ... einem inneren Gesetz unbewußt folgend, habe ich gebaut und gezeichnet.“ Auf zwei Bauten geht Raith besonders ausführlich ein: die Christus-König-Kirche von Böhm in Leverkusen und das Matthäus-Haus von Salvisberg. Anhand einer Studie zum Mosaiksaal der Neuen Reichskanzlei von Albert Speer versucht Raith zudem, die Beziehung zwischen nationalsozialistischer Kultarchitektur und heroischem Stil zu klären.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 4/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

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