Eine Rezension von Helmut Caspar


Kaiserliche Aufmerksamkeiten

Margarete Jarchow: Hofgeschenke
Wilhelm II. zwischen Diplomatie und Dynastie 1888-1914.

Dölling und Galitz, Hamburg 1998, 257 S., zahlr. Abb.

 

Wenn Kaiser Wilhelm II. fürstliche Geschenke an Familienmitglieder und ausländische Potentaten verteilte, ging es in der Regel preußisch-spartanisch zu. Die Spanne reichte von einer fünf Mark teuren Reproduktion seines Konterfeis, das er dem italienischen König übersandte, über Ölgemälde mit Kaiserbildern und Prachtbänden, die durch Widmungen “geadelt“ wurden, bis zu aufwendigen Services aus der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin (KPM), Silberpokalen und gelegentlich auch Schmuck, der schon mal ein paar tausend Mark kosten konnte. Im kaiserlichen Geschenkekorb lagen silberne Zigarettenetuis für den Zaren und Vasen für den Kaiser von China, aber auch bemalte Bleisoldaten für die noch minderjährige Königin Wilhelmina der Niederlande (die Wilhelm II. nach der Novemberrevolution 1918 Exil gewährte), was die etwas indignierte Rückantwort nach Berlin bewirkte, die junge Dame fange an, groß zu werden, habe aber noch viel Interesse „an, dergleichen Dingen“. Am Berliner und Potsdamer Hof war genau festgelegt, welche Aufmerksamkeiten und Geldgeschenke Familienangehörige zu Weihnachten und zu Geburtstagen bekamen. Vierstellige Summen wurden da kaum erreicht, eher weniger, wie die Hamburger Kunsthistorikerin Margarete Jarchow anhand ausgiebiger Aktenstudien nachgewiesen hat. Wurden höhere Beträge erreicht, mußten die Beschenkten mitunter in die eigene Tasche greifen, um die Differenz auszugleichen. So erging es der Mutter des Monarchen, Kaiserin Friedrich. Die Tochter der englischen Königin Viktoria, die mit ihrem Sohn Wilhelm II. erhebliche Differenzen hatte, bekam Probleme mit einem Autographenschrank, der noch vom 99-Tage-Kaiser Friedrich III. bestellt worden war, aber erst nach dessen Tod (1888) vollendet wurde. Das einem Münzenschrank Friedrichs des Großen im Potsdamer Neuen Palais nachgestaltete Möbelstück für die Handschriftensammlung des an Kehlkopfkrebs früh verstorbenen Monarchen kostete 4 500 Mark und überstieg bei weitem jene 900 Mark, die Ihrer Majestät vom nunmehr regierenden Sohn zu Weihnachten zugestanden wurden. Also war die Kaiserinmutter genötigt, den Restbetrag selber zuzuschießen. Als das edle Geschenk, das eigentlich keines war, endlich angekommen war, bestätigte sie mit der trocknen Bemerkung „Maj. dankt für Zusendung“.

Der eigenartige „Geschenkvorgang“ kann mit der Abneigung zu tun haben, die Mutter und Sohn gegeneinander hegten. Denn bei anderen aus der Privatschatulle finanzierten Geschenken schaute Wilhelm II., wie andere in dem Buch erwähnte Monarchen auch, weniger aufs Geld, riskierte gar Verluste, wie die Autorin in ihrem mit aufschlußreichen Darlegungen über die Geschichte von „Hofgeschenken“ und der Förderung des Kunstgewerbes sowie über die Strukturen und Arbeitsressorts am Hofe Wilhelms II. versehenen Buch schildert. Vor allem dann flossen nur so die Hunderttausende, wenn es um staatliche Repräsentanz und Selbstdarstellung ging, wenn persönliche Eitelkeiten des Herrschers etwa bei der Beschäftigung Dutzender Hoffotografen und -maler sowie Uniformschneider befriedigt werden mußten. Der Gerechtigkeit halber sei auch gesagt, daß der Kaiser sehr viel privates Geld in die Förderung der Wissenschaft und der Königlichen Museen zu Berlin steckte, allerdings nur dorthin, wo es ihm genehm und politisch opportun erschien. Im Jahre 1895 etwa ließ Wilhelm II. die Stadt Berlin wissen, er wolle ihr einen „bleibenden Ehrenschmuck“, die aus 32 Marmorfiguren bestehende Siegesallee, zur Erinnerung an die ruhmreichen Fürsten der Mark Brandenburg und Preußens stiften und die Kosten der Gesamtausführung auf seine „Schatulle“ nehmen. „Ich gebe mein Geld aus, um für Mein Volk etwas zu schaffen und Kunstwerke herzustellen, an denen es Freude hat“, war des Kaisers Grundsatz. Und in diesem Sinne förderte er neben den ihm genehmen und ergebenen Künstlern, die gelegentlich auch von ihm dilettantisch aufs Papier geworfene Skizzen ins reine zeichnen mußten, auch die Königliche Porzellanmanufaktur, die sein Vorfahre Friedrich der Große 150 Jahre zuvor zur Belieferung vor allem des eigenen Hofes und zur Fertigung teurer Staatsgeschenke an befreundete Monarchen erworben hatte, und gründete gar auf seinem Gut Cadinen in Westpreußen eine Majolikamanufaktur. Ihr entstammen manche fürstlichen Geschenke - bunt emaillierte Plaketten mit Kaiserköpfen, Blumenkübel und Wandbilder. Daß der Betrieb aus des Kaisers Tasche subventioniert werden mußte, störte den Hohen Herren nur wenig. „Schadet nichts, es wird schon Früchte tragen. Ich bin immer der Meinung, daß reiche Leute mit ihrem Gelde etwas schaffen sollen, woran andere Freude haben“, soll Wilhelm II. auf Einwände geantwortet haben, daß die Cadiner Manufaktur ihn wohl noch bedeutende Summen kosten werde.

Von einem Herrscher wie dem letzten deutschen Kaiser war nicht zu erwarten, daß er zeitgenössische Kunst durch Aufträge fördert. Fest davon überzeugt, daß das, was die Impressioni sten und Sezessionisten in Deutschland, Österreich, Frankreich und anderswo schaffen, nichts anderes als „Rinnsteinkunst“ ist, verdammte er die Moderne. „Wenn nun die Kunst, wie es jetzt vielfach geschieht, weiter nichts tut, als das Elend noch scheußlicher hinzustellen ..., dann versündigt sie sich am deutschen Volke.“ Kunst solle erheben und nicht in den „Rinnstein“ niedersteigen. Wer wie die Königliche Porzellanmanufaktur in Berlin vom Kaiser abhängig war, weil die wichtigsten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (wie wir heute sagen würden) zur Herstellung protzig aufgeputzter Ehrengeschenke von ihm ausgingen, vermied jedes Experiment. Technisch brillant, aber künstlerisch tot sind die Riesenvasen und Tafelaufsätze, mit denen die KPM friderizianisches Rokoko nachahmte und durch noch mehr Blüten und Rocaillen zu übertrumpfen suchte. Dem Kaiser gefielen diese Anleihen an bewährte Vorbilder, und so nehmen gerade Porzellane mit Hohenzollernbildnissen und Schloßansichten bei den Hofgeschenken den obersten Rang ein. Als die Kaiserherrlichkeit vorbei war, mochte keiner mehr die überladenen Keramiken sehen. Vieles verstaubt seither in Schloß- und Museumsdepots.

Margarete Jarchows Buch hilft, Leben und Leistungen des vielfach wegen seines Säbelrasselns und provozierenden Auftretens gefürchteten und wegen seiner absolutistischen Herrscherallüren verlachten Kaisers differenzierter zu werten. Zudem enthält der Band interessante Informationen über das Eindringen „höfischen Geschmacks“ in bürgerliche Sphären. Und er zeigt, wie man in Kaisers Zeiten neue Reproduktionstechniken zur Massenfertigung von kunstgewerblichen Erzeugnissen nutzte, die mitunter den Rang von Hofgeschenken erhielten.


Berliner LeseZeichen, Ausgabe 4/99 (c) Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de

zurück zur vorherigen Seite